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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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nicht bemerkt worden war. »Eine Rätselrübe. Du musst ihr eine Frage stellen.«
    Plim blickte zu Primus.
    »Bitte was muss ich machen?«
    »Man muss dieser Rübe eine Frage stellen«, erklärte Primus. »Ich wollte es gerade ausprobieren, als du dazwischengekommen bist. Was könnten wir sie denn fragen?«
    Sie zog die Mundwinkel runter. »Frag sie doch einfach irgendetwas über die Sichel. Genau! Frag sie, ob es noch andere Stücke davon gibt und wo sie liegen.«
    Er nickte. Dann beugte er sich dicht über die Rübe und sprach sie in einem klaren Ton an: »Wo liegen die Splitter der Mondsichel?«
    Aber nichts passierte. Plim und Primus schauten zu der alten Frau. Diese hob die Augenbrauen.
    »Vielleicht muss man sie ja ein wenig förmlicher ansprechen«, schlug Primus vor. »Hallo, liebe Rätselrübe«, sagte er. »Würde es dir etwas ausmachen, uns zu verraten, wo die Splitter der Mond…«
    Doch weiter kam er nicht. Auf einmal drangen seltsame Geräusche aus der Schatulle. Es hörte sich an wie ein Gähnen oder ein heiseres Knurren. Die Rübe krümmte sich zusammen und aus einer kleinen Furche ertönten einzelne Sätze. Zuerst konnten Primus und Plim die Rübe nicht verstehen, aber dann wurden die Sätze deutlicher:
    »… andere Seite, verkehrter Ort, die Splitter liegen schon lange dort, auf der anderen Seite, am verkehrten Ort, die Splitter liegen schon lange dort … Bäume wachsen herab von oben, berühren den Himmel auf dem Boden. Berühren den Himmel auf dem Boden und wachsen herab von weit, weit oben …«
    Auf diese Art brabbelte die alte Rübe weiter, während die Koboldfrau nickend in ihrem Schaukelstuhl hin- und herwippte.
    »Du«, flüsterte Plim ihm ins Ohr, »ich glaube, die haben nicht alle Tassen im Schrank. Weder die alte Frau und schon gar nicht diese schrumpelige Kartoffel. Also lass uns sehen, dass wir hier schleunigst wegkommen.«
    »Einen Augenblick«, rief Primus und klappte den Deckel zu. Er wandte sich an die kleine Frau, die an ihrem Spitzentuch zupfte. »Was verlangt Ihr für die Rübe?«
    Die Alte rückte mit ihrer Nase die Brille zurecht und antwortete in einem ruhigen Ton, ohne Primus dabei anzusehen.
    »Du kannst doch eh nicht bezahlen, nicht wahr, mein Jungchen?! Wirst du denn wenigstens gut auf sie aufpassen?«
    »Natürlich«, bestätigte er, »darauf könnt Ihr Euch verlassen, werte Frau.«
    »Dann nimm sie mit. Aber immer schön darauf aufpassen, hörst du?! Du wirst sie eines Tages noch brauchen, mein Jungchen.«
    Erstaunt hielt Primus die Schatulle in den Händen.
    »Ihr meint, wir können sie einfach mitnehmen?«
    Aber von der Alten kam keine Antwort mehr. Sie häkelte an ihrem Spitzentuch, nickte mit dem Kopf und summte ein Lied.
    »Gehabt Euch wohl«, rief Primus. »Ich verspreche Euch, dass wir gut auf sie aufpassen werden.«
    »Schön darauf aufpassen, mein Junge«, summte sie, als Primus und Plim aus dem Zelt gingen.
    Von dem Trubel auf dem Marktplatz hatten beide genug. Sie schlugen den kürzesten Weg zwischen den Ständen ein und bewegten sich in die Richtung der Bibliothek. Primus hatte die Schatulle fest unter den Arm geklemmt.
    »Rätselrübe«, sagte Plim. »Wenn ich gewusst hätte, dass wir uns hier mit altem Gemüse unterhalten, dann hätte ich auch ruhig mit dem Besen fliegen können.«
    »Ach, ist doch egal«, meinte Primus. »Wo hat die Rübe gesagt, liegen die Steine? Auf einer anderen Seite? Auf einer anderen Seite, wo die Bäume von oben herunterwachsen und den Himmel auf dem Boden berühren?«
    Gemeinsam gingen sie über das Kopfsteinpflaster die Straße entlang.
    Zu beiden Seiten ragten die Akademiegebäude auf, die mit mehreren Brücken hoch über der Straße miteinander verbunden waren. Am Ende der Straße erhob sich ein mächtiger Bau, zu dessen Türen eine breite Treppe hinaufführte. Zwei Steinfiguren mit Kapuzen flankierten das Portal, über dem in großen Lettern geschrieben stand:
    BIBLIOTHEK DER AKADEMIEN VON HOHENWEIS
    »Also dann«, sagte Primus, »hinein ins Vergnügen.«

Die alte Bibliothek
    M it einem Schlag fiel die Eingangstür hinter ihnen ins Schloss. Vom Lärm der Straße war von nun an nichts mehr zu hören. Nur ihre Schritte hallten durch das Gewölbe, als Primus und Plim durch die große Vorhalle schritten. Plim legte den Kopf in den Nacken. Langsam ließ sie ihren Blick an den mächtigen Säulen nach oben schweifen. Diese waren aus schwarzem Basalt und in sich verdreht wie gigantische Stricke. An ihren Enden, dort wo das

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