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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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Sommertag, gleich nach dem Gewitter, war auch an Plims kleinem Garten nicht spurlos vorübergegangen. Das Gras schimmerte in sattem Grün, das Gemüse drängte sich dicht in den Beeten und aus allen Töpfen und Trögen leuchteten die Blumen. Ein Mückenschwarm tanzte vor dem Hexenhaus in der Abendluft, in die sich der würzige Geruch von Kaminfeuer mischte. Allem Anschein nach war Plim gerade dabei, etwas zu kochen. Dicke Rauchschwaden stiegen aus dem Schornstein und immer wieder erklang das Scheppern von Pfannen und Blechschüsseln. Chuck stand unterdessen in seinem Salatbeet. Verträumt sah er der sinkenden Sonne zu, deren Strahlen zwischen den Bäumen hindurch in die Lichtung fielen. Auf seinem Kopf saßen zwei Spatzen, deren Lied die Vogelscheuche zufrieden mitträllerte.
    Plötzlich ging die Haustür auf. Mit hochgesteckten Haaren und einer karierten Schürze kam Miss Plim aus dem Haus gelaufen. Die Spatzen nahmen sofort Reißaus. Plim sauste in ihren Filzschlappen quer durch den Garten und rannte zielstrebig auf das Gemüsebeet zu. In ihren Händen hielt sie eine Schere und etwas, das wie ein Kochrezept aussah. Kaum hatte sie das Beet erreicht, fing sie brummelnd an in den Kräutern zu wühlen. Sie schnitt ein Büschel Schnittlauch ab, rupfte etwas Petersilie heraus, stopfte alles zusammen in ihre Schürze und rannte gleich wieder zum Haus zurück.
    Chuck blickte ihr neugierig nach.
    »Hallo, Plim«, rief er. »Was macht Ihr denn gerade?«
    Doch Plim hatte in diesem Moment überhaupt keine Zeit, mit der Vogelscheuche ein Kaffeekränzchen abzuhalten. Sie fuchtelte mit der Schere und schlug wortlos die Tür hinter sich zu. Chuck wippte zurück. Er wollte doch nur ein wenig plaudern. Pikiert drehte er sich um und widmete sich wieder dem Sonnenuntergang. Aber schon kurz darauf ging die Tür zum zweiten Mal auf.
    »Habe doch gewusst, dass ich was vergessen habe«, schimpfte Plim.
    Sie huschte um die Ecke zur Rückseite des Hauses, wo die versteckten Beete mit den Zauberkräutern lagen. Dort zupfte sie etwas Teufelspfeffer ab, stocherte zwei Geisterwurzen aus der Erde und sauste flinken Fußes wieder nach vorne. Bei der Haustür traf sie auf Chuck, dem offensichtlich langweilig war.
    »Ach, Plim«, sagte er. »Ich habe mir ein paar Gedanken über Salatschnecken gemacht. Wisst Ihr, die sind eigentlich ganz nett …«
    Plim schüttelte den Kopf. »Ich kann jetzt keine Salatschnecken gebrauchen«, sagte sie. »Mach am besten ein Wettrennen mit ihnen und erzähl mir morgen, wer von euch gewonnen hat.«
    Sie ging ins Haus. Bevor sie aber die Tür zuzog, streckte sie noch einmal ihren Kopf heraus. Suchend blickte sie an der Vogelscheuche vorbei in den Garten.
    »Äh, sag mal, wo ist denn eigentlich dieser dralle Kürbis geblieben? Heute Vormittag war er doch noch hier, oder nicht?!«
    »Ach, Ihr meint Snigg«, antwortete die Vogelscheuche. »Tja, das ist wirklich schade. Wisst Ihr, der hat sich heute Nachmittag auf den Weg gemacht. Er hatte schreckliches Heimweh nach seinem Kompost …«
    Genauer wollte es Plim gar nicht wissen. Sie nickte und zog den Kopf ein.
    In der Hexenküche rauchte und qualmte es, dass man kaum noch etwas sehen konnte. Der Boden war übersät mit Büchern, Schüsseln und allem möglichen Zauberkrempel. Plim stieg über einen Haufen Töpfe, schnappte sich eine Messingschüssel und arbeitete sich anschließend Schritt für Schritt bis zur Feuerstelle vor. Knisternd loderten die Flammen unter dem Hexenkessel, in dem eine gelbliche Brühe blubberte. Dort balancierte sie auf einem Bein, zog mit dem Fuß die Schürklappe auf und warf mit Schwung ein weiteres Holzscheit hinein. Daraufhin ging es weiter zum Tisch. Auf diesem befand sich ein Buch, das den unmissverständlichen Titel Die kleine Einbruchsfibel trug. Ganz offensichtlich bereitete sich Miss Plim auf den bevorstehenden Ausflug zur Bibliothek vor. Eine Reihe kleiner Ampullen stand neben dem Buch, deren krakelige Etiketten keinen Zweifel aufkommen ließen, dass sich Plim für jeden nur erdenklichen Zwischenfall rüstete. Fluchtschmiere hieß es auf der ersten Ampulle. Daneben standen die Langfingersäure und das Lärmöl . Das Fläschchen mit der Aufschrift Räuberdunst musste noch gefüllt werden, aber dafür war auch später noch Zeit. Jetzt wollte sie sich erst einmal um etwas Wichtigeres kümmern.
    Sie warf den Teufelspfeffer und die Geisterwurzen in die Schüssel, stellte sie auf den Tisch und trippelte die Treppe zum Dachgeschoss hinauf.

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