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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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offen.«
    Kurz darauf hatten sie das Fenster erreicht. Doch ganz so einfach, wie Primus es sich ausgemalt hatte, schien die Sache nun doch nicht zu sein. Die Fensterluke war zwar immer noch geöffnet, aber sie steckte mehr als drei Schrittlängen von ihnen entfernt in der Dachwölbung. Dazwischen befand sich pures Fensterglas. Vorsichtig trat Primus mit einem Bein auf die Scheibe. Ein Knirschen ertönte, als er das zweite Bein nachzog und sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf das Glas stellte.
    »Das hört sich aber alles andere als einladend an«, sagte Plim skeptisch.
    Primus schürzte die Lippen und schüttelte zuversichtlich den Kopf. »Ach was«, sagte er, »gar kein Problem. Die Scheiben sind allerhöchstens ein paar Hundert Jahre alt. Wir müssen nur das Gewicht ein wenig verteilen, dann kann uns gar nichts passieren.«
    Er ging in die Knie und krabbelte auf allen vieren über das Glasdach. Plim kam hinterher. Sie verdrehte die Augen, während sie durch die Scheibe nach unten sah.
    »Der hat gut reden«, keuchte sie. »Wenn wir hier durchbrechen, dann flattert er einfach davon, als wäre nichts weiter gewesen. Mich aber findet man am nächsten Tag irgendwo zwischen einem Haufen Scherben auf dem Boden liegend. Wahrscheinlich verflucht mich dann auch noch dieser Bibliothekar, weil ich wieder so eine Unordnung veranstaltet habe.«
    Doch das Glas war stabil und sowohl Primus als auch Plim kamen sicher bei der Luke an. Primus klappte das Fenster hoch. Na, das lief doch wie am Schnürchen. Weder klemmte es noch war es eingerostet. Er legte sich auf den Bauch, steckte seinen Kopf durch die Luke und schaute sich um. Perfekt! Genau unter ihnen verliefen die Seilzüge der Lesebalkone. Jetzt brauchten sie nur noch einen Balkon unter das Fenster zu stellen und schon konnten sie mit Sack und Pack nach unten fahren.
    »Augenblick«, sagte er. »Ich komme gleich zurück und hole dich ab.«
    Schnell wie der Wind hatte er sich verwandelt und war durch die kleine Luke geflogen. Im Segelflug glitt er in die Bibliothek hinab.
    In der großen Halle war es mucksmäuschenstill. Die Luft roch noch immer nach Kerzenrauch, so als hätten die Buchmaler bis spät in die Nacht über ihren Werken gesessen. Primus blickte nach oben. Bläulich schimmerten die Buchrücken der Lederbände im Sternenlicht, das durch das gläserne Dach strahlte. Er konnte auch Miss Plim erkennen, die hoch über ihm neben der Dachluke wartete. Ohne Zeit zu verlieren, nahm er sich einen der Lesebalkone und sauste zu ihr in die Höhe, bis er genau unter dem Dachfenster angekommen war.
    »Wirf mir zuerst deine Handtasche runter«, sagte er und streckte die Hände aus.
    Plim reichte ihr liebstes Stück durch die Luke. »Wehe, du lässt sie fallen«, flüsterte sie. »Da steckt ein ganzer Haufen Arbeit drin. Außerdem ist da unten dann der Teufel los, also pass bitte auf.«
    Primus fing die Tasche und nahm anschließend auch ihren Besen in Empfang.
    »Jetzt du«, zischte er.
    Etwas widerwillig krabbelte Plim rückwärts zum Fenster herein. Sie klammerte sich am Rahmen fest und baumelte mit ausgestreckten Armen über Primus von der Decke.
    »Kannst loslassen«, sagte er. »Ich fang dich auf.«
    Plim blickte über die Schulter zu Primus, der etwa drei Fuß unter ihr im Lesebalkon stand.
    »Du fängst mich wirklich auf, ja?«
    »Was für eine Frage. Natürlich fange ich dich auf«, antwortete er ungeduldig.
    Plim dachte an ihr schreckliches Spiegelbild, das sie in den letzten Tagen immer fetter und fetter gezeigt hatte. Es glich einem Wunder, dass die alten Glasscheiben sie überhaupt trugen.
    »Ich bin bestimmt viel zu schwer für dich«, jammerte sie. »Willst du mir nicht lieber ein Seil holen, an dem ich nach unten rutschen kann? Ich glaube, das wäre klüger.«
    »So ein Blödsinn«, antwortete Primus. Dann betrachtete er die gertenschlanke Plim, die sogar noch dünner war als er selbst. »Lass jetzt endlich dieses dusselige Fenster los und komm herunter.«
    Sie kniff die Augen zusammen. Ihr blieb wohl kaum eine andere Wahl. Mit einem schrillen Schrei ließ sie sich fallen. Sogleich fing Primus sie auf. Er packte sie bei den Hüften und stellte sie neben sich in den Balkon.
    »So«, sagte er. »War doch halb so schlimm, oder?«
    Entschuldigend hielt sich Plim eine Hand vor den Mund. Doch außer ein paar Tauben hatte niemand ihren Aufschrei gehört. Primus zog an den Seilen. Lautlos fuhr der Lesebalkon zum Boden.
    Im Schutze der Finsternis stiegen die beiden aus

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