Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
Primus, nachdem er sich von seinem Schock erholt hatte, »nichts Besonderes. Das ist nur eine Zaubernuss, hier, schau!« Er hielt sie in die Höhe. »Die ist mir gerade heruntergefallen.«
»Soso, eine Zaubernuss«, lachte der Spiegel. »So etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wer hat dir denn gezeigt, wie man diese zum Leuchten bringt? Das ist schließlich gar nicht so einfach.«
»Eine Bekannte«, verriet er zähneknirschend. »Aber völlig egal, die kennst du ohnehin nicht.«
»Doch nicht etwa die kleine Hexe, die hier ab und zu auf ihrem Besen um den Turm fliegt?«, fragte der Spiegel. »Nein, in der Tat, die wurde mir wirklich noch nicht vorgestellt.« Er blickte Primus interessiert an. »Und du bist also nur hier hochgekommen, um mir eine Zaubernuss zu zeigen, verstehe ich das richtig?« Er schaute wissend zum Fernrohr hinüber. »Oder hat der liebe Primus etwa wieder etwas gesucht? Weit im Westen, wie mir scheint …!«
Primus schüttelte unschuldig den Kopf.
Der Spiegel hingegen brach in schallendes Gelächter aus. »Ach ja«, sagte er, »dass es die jungen Leute immer in dieselbe Richtung zieht.«
»Was soll denn das heißen?«, fragte Primus verblüfft. » Welche Leute zieht es wohin ?«
»Du wirst schon noch draufkommen«, entgegnete der Spiegel, »davon bin ich überzeugt.« Er nickte Primus zu und schielte auf die Zaubernuss. »Und spar schön mit dem Licht«, sagte er, »es kommt eine Zeit, da kann man nie genug davon haben. Besonders, wenn man sich hinter finsteren Wänden aufhält.«
Primus nahm die Nuss und stieg mit erhobenem Kopf die Treppe hinunter. »Herzlichen Dank, dass du dich so rührend um mein Leselicht kümmerst«, sagte er. »Wie bin ich froh, in einem Haus zu wohnen, in dem einem das Inventar ständig kluge Ratschläge erteilt. Von der Pendeluhr bis zum Spiegel! Was kann man da noch falsch machen?!« Er tappte die Stufen hinab und knurrte leise vor sich hin. Der Spiegel indessen blickte ihm aufmerksam nach. Dann schloss er lächelnd die Augen.
Von Flöten und Glöckchen
A m nächsten Tag strahlte die Sonne auf Plims kleines Haus. Die Luft war warm, der Himmel wolkenlos blau und von den Bäumen rings um Plims Spielzeugladen zwitscherten die Vögel. Für die herbstliche Jahreszeit erschien dieser Morgen nahezu frühlingshaft. Hell blinzelte das Licht zwischen den Tannen hindurch, während von den Büschen und Gräsern der Morgentau funkelte. Im benachbarten Finsterwald herrschte bei diesem Wetter schon seit Tagesanbruch lautstarkes Treiben. Es knisterte und knackte, schabte und knabberte, wohin man sich auch wandte. Spechte klopften irgendwo in den Bäumen, und immer wieder tauchten laufende Grasbüschel auf, die in kleinen Gruppen quer über die Lichtung flitzten.
Chuck die Vogelscheuche stand unterdessen im Gemüsebeet neben den Bohnenstangen und blickte verträumt in den Himmel empor. Unter ihm saßen mehrere Spatzen, die sich seelenruhig an Plims Beeten zu schaffen machten. Chucks Gegenwart schien sie dabei nicht im Geringsten zu stören … eine Tatsache, die nicht weiter verwunderlich war, da Chuck mit seiner Tätigkeit als Vogelscheuche zweifellos vollkommen überfordert war. Er sah alles andere als furchterregend aus, war ausgesprochen nett und zuvorkommend und hätte es als schrecklich unhöflich empfunden, die Spatzen während des Essens zu stören. Aus diesem Grund wünschte er auch Salatschnecken stets einen guten Appetit und sprach Empfehlungen aus, was sie seiner Meinung nach unbedingt anknabbern sollten.
Nun blinzelte er mit seinen Knopfaugen in die Sonne, wippte mit den Armen und summte fröhlich vor sich hin. Ein Mückenschwarm tanzte an ihm vorüber und schwirrte über die Wiese zum Brunnen. Chuck blickte ihm nach. Aus dem Schornstein von Plims Häuschen stieg eine Rauchfahne auf. Er schnupperte den Duft des Holzfeuers und lauschte weiter dem Gezwitscher der Vögel. Das sägende Geräusch, das nebenbei aus dem Hintergrund ertönte, schien ihn dabei nicht sonderlich zu stören.
Denn nur ein paar Schritte von der Vogelscheuche entfernt lag Snigg mit weit offenem Mund unter einer Schubkarre und schnarchte. Offenbar hatte der dicke Kürbis in der vorherigen Nacht gar königlich gespeist, da er jetzt kugelrund und in einem kräftigen Orange aus dem Schatten der Schubkarre hervorleuchtete. Er gab ein tiefes Seufzen von sich, brabbelte undeutlich im Schlaf und fing anschließend an zu schmatzen. Dann schnarchte er unter leisem Gekicher
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