Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
passiert.«
Sie führte die Flöte zum Mund. Dann schloss sie ihre Augen und blies sachte hinein. Der Raum war erfüllt von sanfter Musik.
Damit hatte Primus in der Tat nicht gerechnet. Plim war ja richtig musikalisch. Nicht zu fassen.
Respektvoll nickte er ihr zu. »Wo hast du das denn gelernt?«, fragte er.
Doch Plim ging gar nicht auf das Kompliment ein. Sie schüttelte nur ihren Kopf und deutete an, dass er gefälligst ruhig sein sollte. Entschuldigend hielt sich Primus die Hand vor den Mund.
Da geschah es auch schon im nächsten Moment, dass die Rübe zu summen begann. Sie lag in der Schatulle und wedelte genüsslich mit ihrer Wurzel.
Plim schielte zu Primus herüber, der ganz offensichtlich sprachlos war. Mit offenem Mund stand er da und traute weder Augen noch Ohren. Sichtlich zufrieden klimperte Plim mit den Wimpern. Die Vorführung war ihr zweifellos gelungen. Sie grinste hinter der Flöte hervor und spielte noch für einige Momente weiter, bis sie die Musik schließlich verstummen ließ.
Dann klappte sie den Deckel zu.
»Da schaust du, nicht wahr?!«, flüsterte sie, gefolgt von einem tiefen Augenaufschlag. »Unsere Rübe mag Musik! Das habe ich zufällig und ganz alleine herausgefunden«, kicherte sie. »Man könnte auch sagen, Flötenzauber mit Nebenwirkungen …« Sie stupste ihn an und zeigte mit dem Daumen auf die Schatulle. »Was meinst du, was wollen wir sie fragen?«
Primus legte den Kopf zur Seite. »Wieso flüsterst du eigentlich?«
»Ich glaube, die hört uns zu«, hauchte Plim. »Also, mach einen Vorschlag, was wollen wir wissen?«
»Soll das etwa heißen, dass man die Rübe durch so ein Flötenspiel zum Sprechen bringt?«
»Exakt! Ich habe ihr heute Morgen etwas vorgespielt und weiß jetzt, dass wir Sonntag haben.«
»Das hätte ich dir aber auch sagen können«, entgegnete Primus.
Sofort lief sie knallrot an. Mit einem giftigen Blick sprang Plim vom Tisch, streckte die Zunge raus und drückte ihm die Flöte in die Hand.
»Alter Besserwisser«, schnappte sie. »Dann probier es doch selbst!« Sie wedelte mit dem Finger. »Du spielst der Rübe jetzt sofort etwas vor und stellst ihr eine Frage, verstanden?!«
Wortlos starrte Primus auf die Flöte. Er sollte auf diesem Schilfröhrchen spielen?! Wie um alles in der Welt sollte er das denn bloß anstellen? Doch Primus musste gar nicht weiter überlegen, da ihm Plim die Flöte gleich wieder aus der Hand riss.
»Nichts da«, zischte sie, »ich habe es mir anders überlegt. Ich spiele ihr etwas vor und du fragst. Du machst das nämlich bestimmt wieder falsch.« Sie öffnete die Schatulle und begann erneut in die Flöte zu blasen. Diesmal jedoch ein klein wenig energischer.
Als sie fertig war und die Rübe wieder in leises Summen verfiel, zog sie Primus heran. Dieser beugte sich folgsam über das Kästchen und stellte spontan die nächstbeste Frage, die ihm einfiel:
»Wer wohnte im Turm auf den Nebelfeldern?«
Nichts passierte.
Doch das war für Primus nicht weiter verwunderlich. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, dass die Rätselrübe beim letzten Mal auch nicht gleich geantwortet hatte. Damals, als er sie in der Marktbude in Hohenweis gefunden hatte, war es ihm ganz ähnlich ergangen. So stand er nun gespannt vor dem Tisch und wartete ab.
Da geschah es plötzlich, dass aus der Schatulle ein leises Murmeln ertönte.
Primus zuckte zusammen. Der Trick funktionierte tatsächlich, ging es ihm durch den Kopf. Er lehnte sich vor und spitzte die Ohren.
Langsam wurde das Gebrabbel der Rübe lauter. Die Töne erschienen klarer und mit der Zeit waren einzelne Wörter zu vernehmen. Zunächst glich es lediglich zusammenhangslosen Fetzen, so als würde jemand im Schlaf sprechen. Doch dann formte sich schließlich ein vollständiger und verständlicher Vers:
»… erst nur der Meister ganz allein, dann zwei Novizen obendrein! Zu dritt im Turme lebten sie und pflegten dort die Alchemie …«
Tatatataaaaaa! Mit einem Knall schlug Plim den Deckel zu.
»Na, was habe ich dir gesagt?!«, triumphierte sie, wobei sie Primus mit dem Ellbogen in die Rippen stieß. »Diese Rübe muss sich offenbar wohlfühlen.« Sie kicherte und tippte mit dem Finger auf die Schatulle. »Ich habe es noch nicht mit Kerzenlicht oder Winterzauber versucht«, scherzte sie, »aber ich wette, dass die alte Kartoffel auch damit zu ködern ist.«
Ihre Augen leuchteten. »Also los«, sagte sie, »worauf warten wir noch? Stellen wir ihr doch zur Abwechslung eine
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