Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
»Verlaufen ist durchaus der richtige Ausdruck«, sagte er. »Oder vielleicht nennen wir es auch vom Weg abgekommen . Wir sind verirrte Wanderer und suchen Schutz vor der Nacht.«
»Schau an«, rief der Narr und sprang in hohem Bogen vom Baum. »Wo wollte der edle Herr denn hin, zu so später Stunde, hm? Und natürlich gilt meine Frage auch der schönen Madame!« Wie eine Katze schlich er um die beiden herum und beäugte sie. Die weiße Schminke seines Gesichts war völlig verwischt.
Plim schob ihn mit dem Besen zur Seite.
Lachend machte der Narr einen Sprung in die Luft, vollführte eine Rolle rückwärts und blieb anschließend mit verschränkten Armen vor ihnen stehen. Die Glöckchen an den Zipfeln seiner Mütze funkelten. Ebenso wie die Glöckchen an dem Strick, den der kleine Wicht um seinen Bauch geknotet hatte.
Trügerisch fing er nun an, die beiden in ein Gespräch zu verwickeln: »Ihr seid also unterwegs zu einem Buch«, sagte er, »oder habe ich die werte Dame gerade eben falsch verstanden?«
Plim lief puterrot an. Verflixt, dachte sie, hätte sie doch nur nichts gesagt. Der Kerl hatte in diesem Moment genau über ihr gesessen.
»Ein Buch, sagst du?« Sie klimperte unschuldig mit den Wimpern. »Nein, was denn für ein Buch? Ich habe nichts dergleichen gesagt. Da musst du dich wohl ein bisschen verhört haben.«
»O nein«, summte der Narr, »ich habe Euch vorhin bestens verstanden. Was ist denn das für ein Buch, zu dem Euch der Nebel tragen soll? Ein wichtiges Buch etwa? Ein wertvolles Buch?«
In diesem Fall sah Plim keinen anderen Ausweg: Jetzt war Lügen angesagt. Aber im Zweifelsfall konnte sie das ohnehin am besten.
»Ach so«, winkte sie ab, »du sprichst von meiner Betriebsanleitung. Na, sag das doch gleich.« Sie zückte ihren kaputten Rennbesen und hielt ihn dem Narren unter die Nase. »Du glaubst ja gar nicht, wo wir schon überall danach gesucht haben. In den Hügeln, im Wald, in den finsteren Sümpfen – der Wisch ist einfach nicht mehr aufzufinden. Ich habe gerade vorhin noch gesagt …« Sie sah Primus zornig an und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »… also, habe ich es nicht gesagt?«
»Jaja«, bestätigte er und spielte mit, »hast du sehr wohl.«
»Na also, ganz meine Meinung!« Sie wackelte rechthaberisch mit den Schultern und wandte sich dann wieder der kleinen Narrengestalt zu. »Und deswegen sind wir jetzt hier. Unglaublich, nicht wahr?!«
Der Narr schaute Plim an, als wäre sie übergeschnappt. Allerdings schien er ihr dennoch nicht richtig zu trauen. Skeptisch spielte er an seiner Mütze und richtete dann seine Augen auf Primus. Diesem war klar, was als Nächstes kommen würde.
Und genau so war es dann auch. Denn schon im nächsten Moment fing der Kerl an, Primus von oben bis unten zu betrachten.
»Der werte Herr ist aber nicht aus der Gegend, habe ich Recht?« Er knabberte an seinen Fingernägeln und kniff ein Auge zusammen. »Aber dennoch könnte ich mich durchaus entsinnen, dass wir zwei uns schon einmal begegnet sind, nicht wahr?«
Primus bekam feuchte Hände. Er suchte fiebernd nach einer Ausrede und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Aber der Narr nickte bereits überzeugt.
»O ja«, schnurrte er, »da war etwas. Aber ich glaube, das ist schon sehr lange her.« Er schlich um Primus herum und streckte seinen Kopf hinter dessen Rücken hervor. »Und jetzt seid Ihr also hier, um nach einem Buch zu suchen, wie die schöne Dame mir sagte.«
»Betriebsanleitung«, verbesserte ihn Bucklewhee. Der Gockel war viel zu penibel, als dass diese plumpe Fangfrage bei ihm gewirkt hätte.
Der Narr zischte gereizt. »Gewiss doch«, fauchte er, »wie tölpelhaft von mir, ich bitte um Vergebung.« Sofort drehte er seinen Kopf und blickte zu den beiden empor. »Aber wenn Euch so an diesem Stück gelegen ist, dann kann ich Euch jetzt natürlich unmöglich wieder ziehen lassen. Das Schriftstück ist bestimmt noch hier in der Nähe und wartet artig auf Euch. Ihr werdet mir also gewisslich gestatten, Euch bei der Suche behilflich zu sein, nicht wahr?« Diese Worte glichen weniger einer Frage als vielmehr einem Befehl.
Doch für Befehle war die gute Plim schon seit jeher unempfänglich. Genau genommen wusste sie gar nicht, was das war. Also schob sie ihre Lippen vor und schüttelte trotzig den Kopf.
»Tun wir nicht«, schnappte sie. »Wir suchen lieber selbst danach. Gehab dich wohl.«
Doch so einfach ließ sich der Narr nicht abwimmeln. Er machte einen Satz und
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