Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
nicht genug. Jäh ragten die Balken aus der Hütte, verkrümmten sich in der Luft und bohrten sich anschließend wie verknotete Wurzeln in den beinharten Boden. Auch das Dach sah aus, als sei es mit dicken Wurzeln verzurrt. Etwas Ähnliches hatten die drei noch nie zuvor gesehen. Trotzig stand diese schaurige Behausung vor der Felswand, so als hätten ihr die Sturmwinde der letzten Jahrhunderte nicht das Geringste ausgemacht. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich, denn dieses Gebilde war eindeutig aus dem Boden gewachsen !
Primus und Plim sahen sich an.
Das also war die Schwarze Hütte! Die echte wohlgemerkt, daran bestand kein Zweifel mehr. Es war die Behausung des Bergteufels, und damit auch jene Hütte, vor der das Märchen in seiner ursprünglichen Form gewarnt hatte. Sie hatten sie doch noch gefunden.
»Hier wären wir«, grinste der Narr. »Wollen die Herrschaften eintreten?«
Beim Anblick des Gebäudes lief Primus ein kalter Schauder über den Rücken. Doch er nahm sich zusammen. »Natürlich«, sagte er widerwillig, »eine wirklich reizende Unterkunft habt ihr hier oben. Wir fühlen uns geehrt.«
»Und wie …«, brummte Plim, der es beinahe völlig die Sprache verschlagen hatte.
Dann traten sie stumm und mit einem flauen Gefühl im Magen auf die geisterhaft anmutende Hütte zu. Kerzenlicht schimmerte durch die Ritzen und deutlich stieg Primus der Geruch von Holzfeuer in die Nase. Im Inneren wusste man wohl längst über ihr Kommen Bescheid. Kurz vor dem Haus kreuzte eine Quelle den Pfad, die dem Massiv der nahen Felswand entsprang. Primus und Plim hielten sich an den Händen, gingen über eine Planke und betraten dann sicher das andere Ufer. Mit großen Sätzen kam der Narr hinterher. Er sprang durch die Luft, überquerte ebenfalls den Bach und landete dann direkt im Eingang neben der Tür. Ein seltsames Zucken ging durch seinen Körper. Er schüttelte sich und verzog das Gesicht.
»Alles in Ordnung?«, fragte Primus, wenngleich auch nur aus purer Höflichkeit.
»Natürlich«, hauchte dieser, »nur keine Sorge. Alles wohlauf.« Er ließ seine gelben Zähne blitzen. »Aber nun kommt doch«, sagte er, wobei er lockend die Finger bewegte, »schnell! Ihr müsst hungrig sein nach der beschwerlichen Reise. Hungrig und müde.« Quietschend schob er die Eingangstür auf.
Primus und Plim sahen sich besorgt in die Augen. Ein kurzer Moment des Zweifels flammte in ihnen auf, doch zum Umkehren war es jetzt zu spät. Sie alle waren so weit gereist – die restlichen Schritte würden sie nun auch noch zurücklegen. Schnell stellten sie Plims Besen beim Eingang in eine Ecke und fassten sich ein Herz. Dann gingen sie der Reihe nach in die Schwarze Hütte hinein. Hinter ihnen fiel die Eingangstür krachend ins Schloss.
Die Schwarze Hütte empfing sie mit gedämpftem Licht und ungeahnter Weitläufigkeit. Alleine der schummrige Korridor, in dem sie jetzt standen, erschien ihnen länger, als die ganze Hütte von außen hätte vermuten lassen. Rote Teppiche lagen auf dem Boden und in kurzen Abständen glimmten Öllampen an den schwarzen Wänden. Plim richtete sich auf. Zumindest war es hier warm, dachte sie. Warm und gemütlich. In dieser Hinsicht hatte der kleine Kerl doch glatt die Wahrheit gesagt, wer hätte das geglaubt?! Sie nahm ihren Schal ab und blickte sich um. Mehrere Türen führten von dem Korridor weg, an dessen Ende sie schemenhaft den Lauf einer Treppe erkennen konnte. Ganz egal, wie klein dieser Bau von außen auch aussehen mochte, stellte Primus fest, von innen schien er jedenfalls eine beachtliche Größe zu haben. Ein richtiges Anwesen, staunte er, oder zumindest ein mehr als gelungenes Zauberwerk.
An einer der Wände befand sich eine Standuhr. Sie schlug die Stunde und zeigte auf sechs Uhr abends.
Bucklewhee machte einen langen Hals. »Könnte gut stimmen, dieses Gerät«, sagte er. »Scheint auf den ersten Blick wohl in Schuss zu sein. Natürlich müsste man das erst einmal überprüfen. Aber soweit ich es hier und jetzt beurteilen kann, korrekt.«
Primus stimmte ihm zu. Allerdings war es ihm völlig egal, wie spät es gerade war. Er ließ seinen Blick durch den Korridor wandern und betrachtete die geschlossenen Türen. Dann sah er erschrocken zu Boden. Von dem kleinen Narren fehlte auf einmal jegliche Spur!
Er zuckte zusammen. »Zum Kuckuck noch mal«, schimpfte er, »wo ist dieser Kerl hin? Der Bursche war doch gerade noch da!«
»Was? Wer?«, fragte Plim.
»Na, dieses wandelnde
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