Das unsagbar Gute
Produktion jener Substanzen beginnen sollen, deren Verkauf die Ebbe in der Kasse beheben würde. Es war tatsächlich eine »Kasse«, eine Stahlschatulle nämlich, in die ihn Manfredo ohne weiteres hatte hineinschauen lassen. Ein Girokonto kam ja bei der speziellen Natur des Geschäfts nicht in Frage, auch kein normales Sparbuch. In der Schatulle lagen ein Büschel Hunderter und noch mehr Zehner und Zwanziger herum, doch als Nowak sie zählen wollte, machte Manfredo den Deckel zu. »Nicht zählen, das bringt nur schlechte Stimmung.«
»Warum denn?«
»Weil es immer zu wenig ist. Hat Oma immer gesagt. Sie hatauch nie gezählt. Solang noch Geld da ist, passt es ja. Man darf nur den Boden nicht sehen, hat sie gesagt.«
»Welchen Boden?«
»Na, den von der Schatulle.«
Dr. Nowak fiel keine Erwiderung ein, aber mit dieser Form der Finanzgebarung würde er sich nicht anfreunden. Klar: Alles war gut, der Boden der Geldkiste bedeckt – aber woher nahm man die Gewissheit, dass ebendies so blieb? Dafür gab es keine Garantie.
Nowak hatte zwei Webcams installiert, die eine überwachte die Vorderseite der Villa, die andere die Rückseite. Von außen waren sie schwer zu entdecken. Außerdem gab es nun auf beiden Seiten des Hauses wattstarke Lampen, gekoppelt mit Bewegungsmeldern, an die auch die Kameras angeschlossen waren. Bei Durchsicht der Aufzeichnungen erschien jedes Mal aber nur der Kater Sami auf dem Bildschirm, wenn er seinem ehemaligen Domizil einen nächtlichen Besuch abstattete. Er zeigte, sofern man das auf dem kleinen Monitor beurteilen konnte, keine Anzeichen von Überraschung oder Erschrecken, wenn das grelle Licht anging; er schien sich auf seinen Wegen nicht stören zu lassen, betrat das Gesichtsfeld von irgendeiner Seite und verließ es auf der gegenüberliegenden, ohne die Lampe eines Blickes zu würdigen. Wie ein Model auf dem Laufsteg. Sami machte, soweit Dr. Nowak und Manfredo das mitbekamen, auch keine Anstalten, die Villa zu betreten, obwohl die alte Katzenklappe offen stand, er ging in der Nacht nur am Haus vorbei, kontrollierte sein Revier, das sich durch den Umzug ja nicht verändert hatte. Manfredo fand Samis Verhalten tröstlich. »Das heißt doch, er hat sich bei diesem Schott gut eingewöhnt, was meinst du?«
»Hmm«, sagte Dr. Nowak, der sich für das Thema nicht sehr interessierte (aus seiner Weigerung, eine Katze zu überfahren, darf man nicht den Schluss ziehen, er stünde Katzen oder Tierenüberhaupt emotional nahe). Im Augenblick, das heißt, im konkreten Sachzusammenhang der Videoüberwachung ging ihm Sami durch seine nächtlichen Spaziergänge auf die Nerven. Dr. Nowak wartete auf ein Zeichen verdächtiger Annäherung, auf eine sinistre Gestalt, die sich auf dem Grundstück herumdrückte, um etwa eine Gelegenheit auszuspähen, wie man unbemerkt in die Leupold-Villa eindringen – und den Schlaf der Bewohner in einen ewigen verlängern könnte. Um das zu verhindern, hatte Dr. Nowak die Bewegungsmelder zuerst nicht mit grellem Licht, sondern einem Alarm im Haus gekoppelt, der nicht draußen, wohl aber drinnen zu hören war. Das hatte auch funktioniert. Schon in der zweiten Nacht war er aus dem Bett gesprungen, in zwei Sekunden putzmunter und voller Adrenalin, war mit entsicherter Waffe durch die Hintertür vors Haus gerannt und hatte mit einer Fernbedienung die Rundumfestbeleuchtung eingeschaltet – vor dem Haus saß Sami, der ihn mit großen Augen anschaute und seinen Rundgang unterbrochen hatte, weil vielleicht noch weitere Sensationen geboten wurden außer Lichtspielen und einem aufgeregten Menschen. Dr. Nowak fluchte und ging wieder ins Bett. Als in der nächsten Nacht die Dinge den nämlichen Verlauf nahmen, erkannte Dr. Nowak, dass er die Sicherheitsarchitektur des Systems ändern musste. Er hielt das Alarmwecken auf die Dauer nicht aus. Er schlief aus schon erwähnten Gründen ohnehin schlecht, nach einem Sami-Alarm mitten in der Nacht konnte er nicht mehr einschlafen. Also stellte er den Alarm ab und schaltete den Bewegungsmelder auf die Lampen. Das würde Eindringlinge vertreiben. Manfredo hatte Zweifel.
»Meinst du wirklich, die lassen sich von ein paar Lampen abhalten?«
»Nein … ja … Herrgott noch mal, was weiß denn ich? Ist das eigentlich alles, was du beitragen kannst? Du redest daher wie jemand, den das alles nichts angeht!«
»Reg dich nicht auf, ich wollte doch nur darauf aufmerksam machen …«
»Ja, ja, schon gut …«
Nicht nur hatten Diskussionen
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