Das unsagbar Gute
wenn er will. Viel Appetit wird er nicht haben. Wasser nicht vergessen, er braucht zu trinken.«
»Apropos Futter …«
»Ach ja, ich hab im Kalender nachgeschaut: Wie wär’s heute Abend?«
»Ich hol Sie um acht ab …« Sie verabschiedeten sich, gaben sich die Hand. Er nahm den Transportkorb in die Linke, von seiner Rechten strömte die Wärme ihres Händedrucks den Arm hinauf. Bildete er sich ein. Auch, dass der PVC-Boden des Wartezimmers weich war wie Watte, das konnte doch nicht sein. Die merkwürdigen Empfindungen verschwanden erst, als er den Korb mit Sami auf dem Rücksitz verstaut hatte und losfuhr. Kaum war das Auto in Bewegung, begann Sami zu jammern, aber lang nicht so intensiv wie auf der Herfahrt. Da hat es aber jemand sehr eilig gehabt, sagte eine winzige Stimme in seinem Kopf. Wie wär’s heute Abend? Da scheint es jemand gar nicht erwarten zu können …
Halt’s Maul!, sagte Schott. Die Stimme schwieg beleidigt. Aber recht hatte sie doch. Glauben konnte Schott das alles nicht.
*
Romuald Nowak schlief schlecht, seit einer Woche schon. Es lag nicht an dem Haus, dieser Villa, die mehr Annehmlichkeiten bot, als er erwartet hatte. Vom Wohnkomfort her war allesda, an der Heizung wurde auch nicht gespart, es war, alles in allem, überraschend gemütlich. Gerechnet hatte er mit lauwarmen Gusseisenheizkörpern aus dem Jahre 1964 und mit Zugluft an allen Orten, wo man es vermuten, und einigen, auf die man von selber nicht kommen würde. Nichts davon. Das Haus war auch ruhiger als seine Bleibe im modernen Gisinger Wohnblock; wärmetechnisch super, akustisch miserabel.
Der Grund seiner Schlaflosigkeit war schlichte Sorge. Angst hatte er nicht. Dr. Nowak trug seine P 38 aus dem Zweiten Weltkrieg in einem einigermaßen bequemen Schulterhalfter. Die Waffe hatte er von einem Onkel geerbt, das Halfter bei einem Militariahändler in Deutschland erworben. Nun gehörte aber Dr. Nowak nicht zu jenen Zeitgenossen, die glauben, der bloße Besitz einer Schusswaffe umgebe sie mit einem unsichtbaren Schutzschirm – ohne dass sie je einen Schuss daraus abgefeuert hätten. Dr. Nowak hatte aus seiner Waffe schon sehr viele Schüsse abgefeuert. Er konnte nicht nur damit umgehen , wie das bei vielen Waffenbesitzern immer heißt, sondern er konnte treffen. Auf zehn Meter Distanz acht von zehn Mal in den Kopf zum Beispiel. Er würde natürlich niemandem in den Kopf schießen. Sondern in den Bauch. Wo keine Rippen das Projektil ablenken konnten. Und er würde nicht einmal schießen, sondern dreimal, rasch hintereinander, um die Chance zu erhöhen, dass die große Pfortader getroffen, besser gesagt: zerfetzt wurde, weil er die beliebte und bewährte 9 u 19 mm Parabellum-Munition mit »hollow point« verwendete. Ja, so einer war Dr. Nowak, wir wollen es nicht beschönigen. Ein böser Mensch. (Was sonst soll man sagen?) Dr. Nowak fühlte sich mit seiner Waffe sehr wohl, er beherrschte den Umgang damit wie im Schlaf und war sich seiner Ziele sicher. Sorge bereitete ihm nicht der zu erwartende Abgesandte der Wiener Unterwelt, sondern die finanzielle Situation. Die Barreserven gingen allmählich zur Neige, und Manfredo pflegte, das hatte er festgestellt,einen nonchalanten Umgang mit Geld, der Romuald Nowak geradezu befremdete; hatte er doch angenommen, bei einem Drogendealer gehe es erstens, zweitens und drittens ums Geld und danach um lange nichts … Hier schlug wohl die künstlerische Ader des Manfredo Gonzales Leupold durch, eine gewisse Unbekümmertheit in finanziellen Belangen. Er hätte einen Agenten gebraucht, der Verträge aushandelte, Abrechnungen sammelte und Belege fürs Finanzamt. Manfredos seltsamer Umgang mit Geld kam vielleicht von seiner Tarnexistenz als Schauspieler und Performancekünstler. Offenbar verdiente er dabei so wenig, dass es eh schon wurscht war …
Manfredo hätte also jemanden gebraucht, der diese materiellen Belange im Auge behielt. Ihn, Romuald Nowak. Davon fühlte er sich überfordert. Hatte Manfredo je angedeutet, Dr. Nowak solle diese Rolle übernehmen? Nein, hatte er nicht. Aber Dr. Nowak gehörte zu den Menschen, die, sobald in ihrer Umgebung Probleme auftauchen, diese bemerken und sich sofort für ihre Beseitigung verantwortlich fühlen. Und das, wenn es irgendwie geht, dann auch tun. Die Probleme beseitigen. Ein guter Mensch, der Dr. Nowak. (Was sonst soll man sagen?)
Die ständigen Verzögerungen des Projekts konnte er kaum mehr ertragen. Er hätte längst mit der
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