Das unsagbar Gute
Wohnung gefalle ihm, sagte er und gab ihr eine Handynummer. Es sei zwar nicht so eilig, bis zum nächsten Herbst sei sowieso noch Zeit, aber er wolle kein langes Verfahren daraus machen. Er habe am Wochenende noch ein paar Termine und werde sie am Montag anrufen. Dabei lächelte er. Sie kannte dieses Lächeln von vielen Provinzlern, die ihre Freude, das Richtige gefunden zu haben, einfach nicht verbergen konnten. Wiener würden in so einem Fall nicht grinsen wie ein Hutschpferd, damit gab man dem Verkäufer oder Makler einen geldwerten Vorteil. Sie stammte aus Oberösterreich und hielt die Wiener grundsätzlich für falsch.
Herr Hämmerle fragte im Lift noch etwas nach den Malerarbeiten, welche Farben denn verwendet würden, er lege Wert auf reine Naturfarben, keine Dispersion; Mag. Horty konnte ihn beruhigen, Dispersion werde schon lange nicht mehr verwendet (sie hatte keine Ahnung, ob das stimmte). Aber so wichtig, wie er tat, war ihm das nicht, das wusste sie einfach, das sagte ihr die Erfahrung. Hämmerle war ein heißer Kandidat, jetzt durfte sie nur nicht den Fehler machen, allzu sehr zu drängen. Auch der Hinweis auf einen anderen Interessenten, der schon kurz vor dem Abschluss stehe, wäre in diesem Fall kontraproduktiv. Vorarlberger hassten solche Tricks. Auf der Straße verabschiedete sich Herr Hämmerle mit einem freundlichen Lächeln und Händedruck, er nehme die Tram, um die günstige Verkehrsanbindung gleich einmal auszuprobieren! Sie stieg ins Auto und war sich sicher, mit Herrn Hämmerle möglicherweise schon am Montag, sicher aber bis Mittwoch den Vertrag abzuschließen.
Sie sollte ihn nie wiedersehen.
Manfredo war von dem Plan nicht begeistert.
»Wie kommen wir denn rein? Das bleibt die alles entscheidende Frage.«
»Ach was! Diese Frage ist nebensächlich und entscheidet gar nichts. Ich hab das geprüft. Ist ganz einfach. Ich hab hinter der Ecke gewartet, bis die Makler-Tante weg war, bin zurück und hab an einer Klingel geläutet. Summton – Tür offen. Ich brauchte nicht einmal die Geschichte vom vergessenen Handy zu erzählen.«
»Ja, schön, das ist die Haustür. Und oben?«
»Da gibt’s nur eine Behelfstür, so eine für den Rohbau, weil sie die richtige erst einbauen, wenn das teure Zeug geliefert wird, die Küche und so. Das Ding brechen wir einfach auf.«
Manfredo sagte nichts mehr zum Thema Tür. Überzeugt schien er nicht. »Ich hab die Sachen in einem Baumarkt besorgt, ich hoffe, es passt …«
Dr. Nowak schlüpfte in die Malerkluft. Die weiße Jacke war etwas zu weit. Manfredo hatte sich für einen blauen Overall entschieden und diesen schon einmal mit Farbspritzern verziert. »Wenn ich auch ganz in Weiß daherkomme, sieht das zu geleckt aus, wie im Film«, sagte er. »In der Realität ist nichts vollkommen, auch nicht die Adjustierung des Malergehilfen.«
»Der Gehilfe bist du?«
»Das bin ich doch sowieso. Realität und Fiktion stimmen überein.«
»Na schön. Pack den Overall ein, wir brechen auf.«
»Was? Jetzt schon? Ich dachte …«
»Es hat keinen Zweck zu warten. Nächste Woche sind die Maler wieder dort, also müssen wir die Sache jetzt durchziehen. Wir fahren getrennt und treffen uns vor dem Haus. Wenn der andere noch nicht da ist, spazieren wir um den Block. Ich im Uhrzeigersinn, du entgegengesetzt.« Dr. Nowak legte den Finger auf den Stadtplan, den er auf dem Küchentisch in Manfredos Wohnung ausgebreitet hatte. »Wir treffen am besten kurz hintereinander ein. Beide in Zvilkleidung, die Malermontur im Gepäck.«
»Warum müssen wir dort um den Block laufen?«
»Falls wir uns verpassen. Dann müsste der eine auf den anderen warten. Wo? Vor dem Haus? Wenn jemand einfach so herumsteht, fällt das viel mehr auf, als wenn er in Bewegung ist …«
»Wieso denn? Jeder würde denken, der wartet halt auf jemanden.«
»Eben! Das würde allerdings jeder denken. Jede übrigens auch. Und jedem und jeder würde es wieder einfallen, wenn die Polizei fragt: Ist Ihnen etwas aufgefallen? Das vermeiden wir so.«
Manfredo sagte nichts mehr, obwohl ihm einiges auf der Zunge lag. Zum Beispiel, ob es nicht noch auffälliger wäre, wenn man einen Mann mit einer Reisetasche dauernd um einen Block herumlaufen sieht. Ein, zwei Mal mochte das angehen, aber ab dem dritten Mal musste es doch aussehen wie eine Performance, »Der Ewige Jude heute« oder so. Warum konnten sie nicht einfach zusammen hinfahren, in derselben Straßenbahn? Manfredo hätte das gern gewusst, aber er
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