Das unsagbar Gute
hielt auch etwas in der Hand, das war bedeutend schwerer als die Schere. Er hielt es hinter dem Rücken verborgen. Charly rührte sich nicht. Manfredo legte ihm zwei Finger an die Halsschlagader.
»Kein Puls. Er ist tot.«
Unter anderen Umständen hätte Dr. Nowak protestiert und die Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen gefordert, aber die bläuliche Gesichtsfarbe und die noch bläulicheren Lippen wiesen deutlich darauf hin, dass hier nicht mehr zu helfen war.
»Du hast ihn umgebracht«, sagte Manfredo mit dumpfer Stimme.
»Ja, natürlich, durch Fesselung der Hand- und Fußgelenke. Also stranguliert …«
Manfredo blickte auf. »Stranguliert, wieso …«
»Na, unabsichtlich halt! Ich konnte doch nicht wissen, dass er ein Außerirdischer ist, der durch Finger und Zehen atmet.« Er begann zu lachen.
»Deine blöden Witze sind unpassend, das kannst du dir sparen …!«
Dr. Nowak lachte laut auf. »Entschuldige, du hast recht, es liegt an unserer speziellen Lage. Wie viele haben wir denn jetzt … lass mich einmal nachzählen, eh ich was Falsches sage: Also erstens deine verehrte Frau Großmutter in Kühltruhe eins – ich nummeriere sie schon einmal vor, damit wir dann nicht durcheinanderkommen –, sodann den Herrn Guttmann in Kühltruhe zwei und ab heute …«
»Hör auf, das ist nicht lustig!«, schrie Manfredo. Aber sein Schreien ging in ein hysterisches Gelächter über und dann ohne Absatz in ein Schluchzen. Dr. Nowak zog ihn hoch und nahm ihn in die Arme. Manfredo ließ es geschehen.
»Warum hab ich immer solches Pech?«, jammerte er. »Warum ich? Was hab ich denn getan?«
»Setz dich erstmal, ich hol dir was zu trinken.« Dr. Nowak führte Manfredo ins Wohnzimmer und plazierte ihn auf einem Stuhl, dann brachte er eine dickbauchige Flasche und zwei Gläser. Manfredo saß zusammengesunken am Tisch wie ein sehr alter, sehr kranker Mann. Dr. Nowak schenkte ein, sie tranken ohne anzustoßen.
»Auf deine Fragen« begann der Chemiker, »gibt es erstaunlicherweise sogar Antworten …«
»Welche Fragen?«
»Du wolltest doch wissen: Warum hab ich solches Pech, was hab ich denn getan? Das mit dem Pech musst du im größeren zeitlichen Zusammenhang sehen. Du hast jahrelang illegale Drogen vertickt und bist nie dabei erwischt worden. Ich würde das unverschämtes Glück nennen. Wenn jetzt das Pendel in die andere Richtung ausschlägt, darf einen das nicht wundern, das war unausweichlich. Und die zweite Frage beantwortet sich genauso: Du hast mit Drogen gehandelt, das hast du getan!«
Manfredo schneuzte sich. »Ich bin mit den Nerven runter«, sagte er. »Das hätte nicht passieren dürfen …«
»Es ist aber passiert. Er war Asthmatiker. Ich habe gelesen, das kommt gar nicht so selten vor.« Das war gelogen, Dr. Nowak hatte nie etwas über Asthma gelesen, sein Konzern war auf diesem Gebiet nie aktiv gewesen.
»Wenn er den Inhalator hätte verwenden können …«
»Ja, ja, ja! Wenn, wenn! Wenn du mir was über diese famose Verbindung zur Wiener Unterwelt erzählt hättest, dann hätte ich ihn nicht geschockt und gefesselt! Aber du hast nicht, deshalb habe ich! Hör auf damit, du machst uns nur beide verrückt.«
»Was sollen wir denn jetzt machen?«
»Wir kaufen erst eine neue Kühltruhe …«
Jetzt war es Manfredo, der laut herauslachte. »Schon wieder? Wird das nicht langsam auffällig?«
»Wir fahren diesmal nach Feldkirch.«
»Ach so, ja dann … dann ist ja alles in Ordnung!«
»Spar dir deinen Sarkasmus. Wir haben eine Menge Probleme, wir müssen uns jetzt zusammenreißen, um da wieder rauszukommen …«
»Probleme, das kannst du laut sagen. Was wird dieser Bindl sagen, wenn Charly nicht mehr auftaucht?«
»Du kennst den Bindl?«
»Nur aus Erzählungen …«
»Davon hast du mir auch nichts gesagt.«
»Ich habe dir eine Menge nicht gesagt. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Du solltest ja nur für das Technische zuständig sein …«
»… und du fürs Geschäft, verstehe. Also schön, Herr Unternehmer, was gedenken Sie jetzt zu tun?«
Manfredo fasste sich, man konnte sehen, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Und er merkte nicht, dass er auf denArm genommen wurde. Er sagte: »Prinzipiell ist mit Charlys … Ausscheiden … noch nicht alles verloren. Was den Absatz betrifft, meine ich. Charly hatte zwei Mitarbeiter, die kenne ich beide. Die würden mir das Zeug auch weiterhin abnehmen, da bin ich ziemlich sicher!«
»So, so, ziemlich sicher. Was sagst
Weitere Kostenlose Bücher