Das unsagbar Gute
hätte es alles Folgende nicht gegeben, kein Fitzelchen davon. Er hätte niemanden totgefahren und keine Leiche in einer Kühltruhe verstaut; er hätte keinem Wiener Unterweltler mit einem großen Plastikhammer die Knochen kaputtgehauen und, nachdem dieser aus ungeklärter Ursache verschieden war, die Leiche in einer weiteren Kühltruhe verschwinden lassen. Er hatte mit der größten Selbstverständlichkeit Dinge getan, die all die Jahre zuvor nicht in seinen wüstesten Albträumen aufgetaucht waren. Dagegen war die illegale Herstellung von zwei Pfund Methylendioxymethamphetamin fast eine Lappalie, vergleichbar einer Geschwindigkeitsübertretungum zehn Kilometer pro Stunde. Aus irgendeinem verqueren Grund tröstete ihn dieses absurde Argument, das vor keinem Gerichtshof halten würde. Aber vor dem Gerichtshof in seinem Kopf hielt es.
Er widmete sich seiner Arbeit.
7
Herr Hämmerle machte einen guten Eindruck. Der erste Eindruck ist, das wusste die Magistra Horty, der entscheidende, das stand zwar in allen Unterlagen, aber niemand von den Leuten, die so etwas für Marketingseminare verfassten, hatte eine wirkliche Ahnung von der Sache; die wussten nicht, was erster Eindruck in der Praxis hieß und wie wichtig er tatsächlich war. Außerdem konnte man nirgends lernen, den richtigen ersten Eindruck zu haben.
Als er im Maklerbüro auf sie zukam, taxierte sie ihn und ordnete ihn ein. Mittelständler, Vorarlberger, das war schon am Telefon klar gewesen. Guter Anzug, teurer Mantel, geputzte Schuhe. Direkt aus dem Hotel hierher, alles musste schnell gehen, zack, zack. Wahrscheinlich selbständig, der Herr Hämmerle hatte für diese Sache nicht alle Zeit der Welt.
Er sei auf der Suche nach einer nicht zu teuren Eigentumswohnung, hatte er am Telefon gesagt, da sei er auf diese Wohnung gestoßen, die müsse eben auch als Studentenwohnung zu verwenden sein, wenn es in der Verwandtschaft dann so weit sei. Die Frau Magistra hatte alles verstanden; hier handelte es sich also um den Typ Vorarlberger, dessen Neffen und Nichten Studiengebühren und ähnliche staatliche Eingriffe nicht so besonders zu spüren kriegen würden, auch keine unangenehme, studiumbehindernde Wohnsituation etwa in einer fünfköpfigen WG in einem renovierungsbedürftigen Altbau. Wie es die Frau Magistra erlebt hatte, bevor sie Frau Magistra war. Sondern die junge Verwandte des Onkels (Horty tippte auf die Lieblingsnichte) würde, nachdem sie endlich die Matura geschafft hatte, in eine neu hergerichtete, eingerichtete Dreizimmerwohnungeinziehen dürfen. Im obersten Geschoss mit traumhaftem Blick über Wien – nicht, dass der jungen Dame dieser Blick das Geringste bedeuten würde – Frau Mag. Horty hasste das verwöhnte Flittchen jetzt schon, obwohl sie gar nicht wusste, ob dieses überhaupt existierte; wenn es aber existierte, würde es diese Wohnung mit der gleichen Selbstverständlichkeit betrachten wie das ganze bisherige Leben.
Frau Hortys professionelles Lächeln war etwas gezwungen, was dem Herrn Hämmerle aber nicht auffiel; auf der Fahrt in den Sechzehnten redete sie viel, nicht nur über das spezielle Objekt, sondern über den ganzen Bezirk, die allgemeine Situation sowie die spezielle punkto Ausländer, nicht ohne zu betonen, hier gebe es genau die richtige Mischung … und ein berühmtes türkisches Restaurant sei auch ganz in der Nähe.
Es gab einen Lift bis zum fünften Stock, dann eine kurze Treppe ins ausgebaute Dachgeschoss. Die Räume waren kahl und sehr hell; keine Möbel, die Malerarbeiten noch im Gange. Herr Hämmerle sah sich alles genau an. Er sprach nicht viel und fügte sich ins Schema des maulfaulen Vorarlbergers. Aber er war sympathisch, irgendwie. Wenn er zehn Jahre jünger wäre … aber das waren müßige Träumereien.
Herr Hämmerle betrat die Terrasse und sah sich alles genau an. Er lächelte sie an, zum ersten Mal, seit sie sich getroffen hatten. Das Lächeln galt nicht ihr, sondern dem Objekt. Es schien ihm zu gefallen.
»Wie ist denn die Nachbarschaft?«, wollte er wissen.
»Ganz ruhig. Rechts ein Alleinstehender, soweit ich weiß, ein Cafetier, der ist am Abend immer weg. Und links wird renoviert, das dauert aber noch eine Weile, da wohnt jetzt niemand.«
Dann erkundigte er sich noch nach den Malerarbeiten. Sie musste zugeben, dass die noch ein bisschen dauern würden, diese Woche gebe es eine Unterbrechung, dafür sei aber die Besichtigungbequemer möglich, ohne Farbkübel und Gestelle. Er nickte. Die
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