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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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ob … ich werde einfach still sein, dachte er, die Sache ist ohnehin gelaufen. Ich hab’s verbockt. Wieder einmal.
    Die Gesprächspause schien sie nicht zu stören, sie widmete sich mit großer Intensität der pikanten Ente . Und dann begann sie von sich zu erzählen. Er hörte zu, stellte Zwischenfragen. Offenbar die richtigen an den richtigen Stellen. Das interessierte ihn jetzt, er dachte nicht mehr an die Richtung, die das Gespräch hätte nehmen sollen, verkrampfte sich nicht mehr beim Versuch, ebendiese Richtung einzuschlagen, was ihm nicht gelungen war; er ließ es einfach laufen. Dann begann sie ihm Fragen zu stellen. Er antwortete. Es waren keine weltbewegenden Dinge, die sie voneinander erfuhren. Sie war geschieden, er war geschieden. Sie stammte aus einer kinderreichen Familie und hatte zwei Brüder und eine Schwester, er war ein Einzelkind. Ihre Eltern lebten noch, seine nicht. Er erzählte viel, sie erzählte viel. Beim Zahlen hatte er das Gefühl, ausgeredet zu haben, er hatte alles gesagt, was ihm eingefallen war, er hatte nichts zurückgehalten. Jetzt spürte er – Zufriedenheit. Sie hatte ihm zugehört und er ihr. Und wenn es dabei bleiben sollte, war es auch gut. Nicht, dass es nicht besser werden könnte – aber wenn es so blieb, hatte es sich gelohnt. Er verließdas Lokal mit einem Gefühl physischer und emotionaler Sättigung. Sie hatte sich bei ihm eingehängt. Er hoffte, sie sei genauso zufrieden. Frag sie doch, sagte jemand in seinem Kopf, frag sie einfach!
    »Sind Sie zufrieden?«
    »Du«, sagte sie, »es muss heißen: Bist du zufrieden? Ich heiße Hildegard.« Er blieb stehen. Sie waren schon hundert Meter am Auto vorbeigelaufen. Er sah sie an. »Ich fühle mich geehrt«, sagte er, »leider wird es jetzt ein bisschen peinlich …«
    »Lass mich raten: Du heißt Ambrosius!«
    »Äh … nein … findest du Ambrosius lächerlich?«
    »Ich finde Namen überhaupt nicht lächerlich – außer, sie sind lächerlich, natürlich … das hört sich jetzt meschugge an …«
    »Lass nur, ich weiß, was du meinst.«
    »Nun gut, wie heißt du denn?«
    »Mauritius.«
    »Mauritius Schott? Das hat was.«
    »Haben meine Eltern auch gesagt – zu Schott musste einfach was Längeres dazu. Mir wäre es doch lieber gewesen, sie hätten sich für was Normaleres entschieden, Alexander oder so …«
    »Mauritius ist ein wunderschöner Name. So hieß der Anführer der thebäischen Legion, den der Kaiser Maximian zusammen mit seinen christlichen Kameraden hat umbringen lassen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Nicht alle Ärzte sind so beschränkt, wie sich das die Allgemeinheit vorstellt!« Das klang ein bisschen schärfer, als sie vielleicht beabsichtigt hatte.
    »Entschuldige«, sagte er, »ich wollte in keiner Weise …«
    »Schon gut, die meisten sind’s ja doch …«
    »Was?«
    »Beschränkt.« Sie lachten beide. »Ich hab mich nie Mauritius nennen lassen, immer nur Schott«, sagte er. »Die Kollegen haben sich daran gehalten. Jetzt ist es sowieso wurscht.«
    »Warum?«
    »Kollegen hab ich keine mehr und sonst ist auch niemand da, der mich wie auch immer nennen könnte …«
    »Das stimmt nicht«, sagte sie mit leiser Stimme. Sie war stehen geblieben. Die Straße war still, rundum nebelfeuchtes Herbstnachtdunkel. Sie waren im Reden immer weiter vom Auto weggegangen, in Nebenstraßen eingebogen. Im Moment wusste er nicht genau, wo sie sich befanden, ringsum Einfamilienhäuser in finsteren Gärten. Das irritierte ihn.
    »Was stimmt nicht?«, fragte er.
    »Dass niemand da ist, der dich Mauritius nennen könnte.«
    Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände.
    »Ich bin da«, sagte sie.
    Dann küsste sie ihn.

    *

    Als Fritz Bindl in dieser Nacht nach Hause kam, war er schlecht gelaunt. Es gab keinen speziellen Grund dafür; im Café, wo er sich kurz hatte blicken lassen, war alles so wie immer – das heißt, so schlecht. Wenn er ehrlich war (und das war er ab und zu), musste er sich eingestehen, dass die Nachlässigkeit und Faulheit seiner Angestellten an diesem Tag keineswegs das bekannte Maß überschritten hatte, sie waren dieselben elenden Verlierertypen wie immer, was ihm völlig egal sein könnte, wenn das für ihn nicht so teuer gewesen wäre, das Urassen mit Betriebsmitteln, die Langsamkeit beim Bedienen der Gäste et cetera. Darum musste er ja in Abständen dort höchstselbst erscheinen und die Bande ordentlich in den Hintern treten, damit wenigstens die Minimalperformance eines

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