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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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dagegen gewesen. Dieser Scheißapparat! Aber die anderen wollten unbedingt den Apparat ausprobieren, er kam aus Serbien angeblich, da hätten sie tolle Erfolge damit gehabt und was noch alles … aber wie er bedient wurde, das wussten sie nicht so genau, wie das ging mit der Spannung, sie hatten ihn vielleicht zu hoch eingestellt, und wo genau die Elektroden hinsollten, wusste auch keiner, nur nicht in Herznähe, hieß es, sonst gehter gleich hops, also an die Eier. Dann hatte der Russe gebrüllt, und dann hatte er sich angeschissen von oben bis unten, man wusste nicht, wegen dem Strom oder aus Angst, jedenfalls war er dann tot, und sie hatten diese Riesensauerei. Und jetzt hatten diese Leute dem Chef aufgelauert und so einen Apparat verwendet. Allerdings: Diese Krämpfe hatte der Russe nicht gehabt. Fritz Bindl schüttelte es von Kopf bis Fuß durch, als ob er unter Strom stünde, aber nirgends war ein Draht zu sehen. Jimmy wusste nicht, was er tun sollte. Bindl war immer dagegen, jemand Offiziellen anzurufen, keine Polizei, keine Rettung. Er ging auf den Balkon, um eine zu rauchen. Die Tür ließ er offen. Er lehnte am Geländer und schnippte die Asche in den Hof. Wenn das mit Bindl nicht besser wurde, musste er doch die Rettung rufen. Aber noch war Zeit. Erst müsste er den Chef in die Badewanne stecken. In dem Zustand konnte er ihn den Sanitätern nicht zeigen. Er ging hinein, packte sich Bindl auf die Schultern und trug ihn ins Badezimmer hinüber. Dort legte er ihn in die Wanne und ließ Wasser einlaufen. Erst einmal den gröbsten Dreck wegspülen, dann ausziehen. Im Badezimmer war es finster, obwohl das Licht brannte. Richtige Funzelbeleuchtung. Der Schweiß brach ihm aus. Bindl war schwer. Er musste sich erst einmal setzen.

    *

    Sie schloss die Augen und war innerhalb der nächsten Minute eingeschlafen. Darum beneidete er sie. Er drehte sich mit großer Vorsicht auf den Rücken, um sie nicht zu wecken, und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Ihr Schlafzimmer kam ihm so vertraut vor, als ob er schon Jahre darin zugebracht hätte.
    »Stört dich das Bett?«, hatte sie gefragt.
    »Warum sollte es mich stören?«
    »Weil es mein Ehebett ist. Oder mein Ex-Ehebett … oder sagt man: Ehe-Exbett?«
    Er hatte gelacht und sie in den Arm genommen. Mauritius Schott hatte begriffen, dass man bei diesem Punkt nicht verweilen sollte; alles, was mit ihrer vergangenen Ehe zu tun hatte, war ein bisschen heikel. Sie sprach nicht gern über ihren geschiedenen Mann, brachte ihn aber über Umwege ins Gespräch. Wie jetzt mit der Ehebettgeschichte. Er hatte gesagt, es störe ihn nicht, selbstverständlich nicht, wie käme er denn dazu, solang es sie nicht stört – und wenn doch, dann könnten sie ja auch zu ihm? Nein, nein, hatte sie gesagt, das sei schon in Ordnung.
    Im weiteren Verlauf der Dinge hatte der etwas geisterhafte ehemalige Partner der Frau Dr. Rhomberg keine Rolle mehr gespielt – das heißt: Wenn er recht darüber nachdachte, konnte er das gar nicht behaupten; er hatte diesen Menschen nicht gekannt, geschweige denn, wie er sich an ebendiesem Ort, in diesem Bett betragen hatte. Sie schon. Ich bin ein Miesepeter, dachte er, ich finde immer ein Haar in der Suppe. Sogar, wenn gar keine Suppe da ist. Ich muss mich ändern, jawohl, das werde ich. Ändere ich mich eben … noch im Einschlafen war er davon überzeugt, dass er das fertigbrächte, eine grundlegende Charaktereigenschaft einfach abzulegen wie ein Hemd. In seinem Alter. Einfach so. Im Einschlafen in jener Nacht glaubte er das wirklich.
    Weil der Sex die Menschen mit ungeheurem Optimismus erfüllt. Jedenfalls die Männer.

    *

    Ludwig Prohaskas Zögern verdankten Mitglieder des Wiener Roten Kreuzes mit einiger Wahrscheinlichkeit ihr Leben; ebenjene, die einem Notruf des Ludwig Prohaska nachgekommenwären. Wenn er ihn denn getätigt hätte. Das tat er aber nicht. Als er sich dazu entschloss, war es um ihn schon so dunkel, dass er die Tasten des Mobiltelefons nicht mehr erkennen konnte, was aber keine Rolle spielte. Die Hände zitterten schon zu stark. Seine Pupillen waren kleiner als Stecknadelköpfe, davon kam die relative Dunkelheit. Er kroch auf dem Boden herum, sein Erbrochenes mischte sich mit den diversen Körperflüssigkeiten, die Fritz Bindl auf dem Boden ausgebreitet hatte; er kroch so lang herum, bis die Krämpfe den ganzen Körper erfassten und ihn in der Nähe der Terrassentür festnagelten, wo sich Blase und Darm entleerten. Man weiß ja

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