Das unsichtbare Grauen
Auffahrt zu ihrem Chalet und winkte schon von weitem, sobald sie des Pferdeschlittens ansichtig wurde.
»Hurra! Sandra!« rief sie ungeniert und mit echter Begeisterung und fährte einen kleinen Freudentanz auf.
Ludmilla tat ihren Gefühlen nie Zwang an.
»Ludmilla, Darling!« Sandra King befreite sich von der Pelzdecke und sprang aus dem Schlitten. Sie lief auf Ludmilla zu und umarmte sie. »Schön, dich endlich wieder mal zu sehen. Herzlichen Dank für die Einladung. War wirklich höchste Zeit, daß ich aus meinem Alltagstrott herauskam.«
Die beiden Frauen betraten das Haus, ein in ländlich elegantem Stil eingerichtetes Chalet, von einem der besten Schweizer Architekten erbaut.
»Der Tee wartet schon«, sagte Ludmilla Anderson.
»Komme gleich.« Sandra entschuldigte sich für einen Moment und folgte dem Kutscher auf ihr Zimmer, wo er das Gepäck abstellte und sich nach Erhalt eines großzügigen Trinkgeldes verabschiedete.
Sandra King wartete, bis er gegangen war. Dann streifte sie den linken Ärmel ihrer Pelzjacke zurück. Zum Vorschein kam eine moderne Quarz-Armbanduhr. Doch es war mehr als nur ein Zeitmesser. Diese Armbanduhr enthielt außer einem starken Minisender einen Mikrostrahler, der eine tödliche Waffe war, wenn man ihn direkt auf ein Lebewesen richtete, und verschiedene andere sinnreiche Hilfsmittel.
Momentan ging es Sandra aber nur um, den Sender. Sie drückte einen winzigen Knopf und hatte in einer Sekunde die Londoner Zentrale im Empfang.
»Ja, Sandra?« Das war ihr Onkel, Lord Alfred Bensing.
»Ich bin jetzt bei Ludmilla in St. Moritz angekommen«, gab Sandra bekannt. »Was tut sich bei euch?«
»Alles ruhig. Den Agenten auf der Werft in Portsmouth haben wir erwischt. Aus Kenia liegt noch nichts Neues vor. Im übrigen probiere ich einen neuen Jahrgang Portwein, und dein Bruder Bobby ist auf der Jagd nach einer neuen Blondine.«
»Prost - und Waidmanns Heil«, sagte Sandra trocken und schaltete ab.
Sie ging hinunter. Im Kamin flackerte ein einladend lustiges Feuer. Auf dem Bär renfeil davor standen bequeme Polster und ein Teetisch. Sandra ließ sich aufatmend in die Polster sinken. »Endlich mal ein Platz auf dieser schönen Welt, wo man von Arbeit verschont bleibt«, sagte sie zufrieden.
Ihre Freundin schenkte den Tee ein. Dann sah sie auf und begann zögernd: »Sandra - um ganz ehrlich zu sein: Meine Einladung hat einen Grund!! Ich meine, natürlich freue ich mich, dich zu sehen und hoffe, daß du dich gut erholst und deinen Spaß hast. Ich habe ein paar nette Leute eingeladen. Zum Dinner. Ich dachte, du willst dir vielleicht einen Skipartner aussuchen.«
»He, du willst mich doch nicht am Ende verkuppeln«, lachte Sandra. Dann wurde sie ernst und fragte: »Ludmilla, was ist der wahre Grund deiner Einladung?«
Die Schauspielerin senkte den Kopf und schwieg. Schließlich sagte sie: »Patricia ist verschwunden. Einfach weg.«
Patricia war Ludmillas 18jährige Tochter aus ihrer bisher einzigen Ehe. Die Schauspielerin war seit Jahren geschieden. Ihr Mann, der Schweizer Chemiker Dr. Henri Braun, hatte ebensowenig wieder geheiratet wie Ludmilla. Allerdings lebte er mit einer jungen Kollegin zusammen, während Ludmilla allein geblieben war und sich ganz um die Erziehung ihrer Tochter kümmerte. Mutter und Tochter waren ein Herz und eine Seele, das wußte Sandra King.
»Pat ist vor zwei Wochen auf eine Skitour gegangen. Seither ist sie einfach wie vom Erdboden verschwunden«, sagte Ludmilla Anderson. »Ein Unfall ist ausgeschlossen, weil sig nach der Skitour mit ihren Freunden noch im Hotel zum Apres-Ski war. Da hatte sie die Bretter längst beiseite gestellt. Sie wollte mit dem Wagen nach Hause kommen. Der Wagen steht immer noch vor dem Hotel. Ich habe ihn dort gelassen, falls sie zurückkommt.«
Ludmilla Andersons Stimme klang verzweifelt. »Aber ich habe kaum Hoffnung. Warum meldete sie sich nicht wenigstens? Sandra, du mußt mir helfen.«
»Und die Liebe?« Sandra King sah ihre Freundin an. »Patricia ist immerhin eine erwachsene junge Dame.
Vielleicht ist sie mit einem netten jungen Mann durchgebrannt.«
»Warum sollte sie?« fragte Ludmilla Anderson erstaunt. »Sie hat ihre volle Freiheit. Wenn sie mit einem Mann fortgehen will, braucht sie es nur zu sagen. Ich hindere sie nicht. Wir beide haben immer Wert darauf gelegt, daß jeder von uns sein eigenes, selbständiges Leben führt. Nein, ich habe da einen
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