Das unsichtbare Grauen
Sie fahren jetzt mit mir aufs Land. In die Grafschaft Buckinghamshire und dort...«
»... kennen Sie unter Garantie ein romantisches Landgasthaus, wo man sehr gut ißt. Und dann ist es leider zu spät, nach Hause zu fahren, und leider ist nur ein einziges und ausgerechnet ein Doppelzimmer frei, aber ich brauche natürlich keine Angst zu haben, weil Sie ein Gentleman sind, nicht wahr?«
»Donnerwetter! Sie haben ja richtige Erfahrung«, gab Bobby King vergnügt zurück. »Also wollen Sie nun die Gefahren des Landlebens auf sich nehmen? Vielleicht gibt es eine Story für Sie. Wissen Sie, es handelt sich um mehr oder minder private Ermittlungen, die ich für meine geliebte Schwester anstelle. Es gibt also keinen Auftraggeber, den ich bloßstellen könnte. Also, wie wär's? Ein Besuch auf Trent Castle muß doch ganz reizvoll erscheinen. Und das Schloßgespenst soll sehr sexy sein. Kommen Sie! Lassen Sie Ihre Kalesche hier stehen und fahren Sie mal Bentley! Unterwegs erzähle ich Ihnen, was Sie wissen müssen, Sie bezaubernde Zeitungsente!«
Unwillkürlich mußte Maggie Elling lachen. Bobby King hatte gewonnen. Zuvorkommend öffnete er ihr den Wagenschlag. Sie sank in die Lederpolster des Luxuswagens, für die acht Rinder ihr Leben lassen mußten. Lautlos fuhr Bobby an. Aus den Augenwinkeln beobachtete er sie. Sie genoß die Fahrt sichtlich.
Er lenkte den Bentley in Richtung der Ausfallstraße, die über Uxbridge nach Beaconsfield führte.
»Einen Sherry?« fragte er und drückte den Knopf, der die eingebaute Bar öffnete.
»Schenken Sie uns doch bitte ein! Ein ganz kleiner Drink ist auch dem Fahrer gestattet!«
Während Maggie seinen Wunsch erfüllte und zwei Sherrs einschenkte, griff Bobby King nach dem Telefon und betätigte zugleich eine der drei daneben befindlichen Tasten. Er brauchte nicht lange zu warten. Onkel Alfred meldete sich rasch:
»Hallo, Bobby?«
»Ja, Onkel Alfred, du bist zweifellos in deinem Club und vernichtest die dortigen Vorräte an altem Port.«
»Erraten«, sagte Lord Alfred Bensing. »Hoffentlich unterbrichst du mich nicht bei dieser außerordentlich wichtigen Beschäftigung.«
»Nur für ganz kurze Zeit«, beschwichtige Bobby King ihn. »Sag mal, kennst du eventuell einen Marquess von Trent auf Trent Castle?«
Eine kurze Denkpause. Dann die Antwort: »William, 7. Marquess of Trent. Wir waren zusammen bei der Indischen Armee. Hatten verdammt viel Spaß bei der Wildschweinjagd. Ist aber schon seit zehn Jahren tot, der alte Bill, nachdem er sich beim Jagdrennen gemeinsam mit seinem Vollblüter den Hals brach.«
»Es _ muß einen Nachfolger geben«, bohrte Bobby King weiter. »Streng dein Portweingehirn mal an, Onkel.«
»Ja, der Neffe. Lord Angus Gray, der 8. Marquess. Ein verrückter junger Kerl. Hat's mit der Chemie oder so was. Ziemlicher Exzentriker. Völlig aus der Art geschlagen. Dauernd auf Reisen. Das Schloß wird von Sir Botho Dillingham verwaltet, ein entfernter Verwandter.«
»Den du natürlich auch kennst, und den du jetzt sofort anrufst, um ihm mitzuteilen, daß dein Lieber Neffe Bobby King und Miß Margaret Elling mal auf einen Schluck vorbeischauen.«
»Wird gemacht, mein Junge.«
Bobby King nickte zufrieden und legte den Hörer zurück in seine Halterung. Dann wandte er sich zu Maggie:
»Sehen Sie, so funktioniert unser Familienunternehmen. Wenn wir Trent Castle erreichen, stehen die Ehrenjungfrauen schon Spalier.«
Damit Sie sich sogleich eine aussuchen und zur Ehrenjungfrau befördern«, ulkte Maggie Elling.
»Spotten Sie nicht über meine ernste Tätigkeit«, gab Bobby King mit Grabesstimme zurück.
»Nun mal im Ernst, Mr. King - verzeihen Sie, ich meine natürlich Bobby«, sagte Maggie. »Was ist los mit diesem Lord Angus? Um den geht es doch offenbar, oder?«
»Um den geht es. Er ist beim Skifahren in den Schweizer Alpen spurlos verschwunden. Ebenso wie eine junge Dame vor ihm. Wir wissen nicht, ob ein Zusammenhang besteht. Aber meine Schwester meint, es könnte nicht schaden, wenn wir etwas mehr über Lord Angus wüßten. Also opfere ich meine kostbare Zeit.«
»Aber das Ganze ist kein offizieller Auftrag?« fragte Maggie weiter, während sie durch die zunehmend ländliche Gegend weit außerhalb Londons fuhren.
»Nein. Ein Auftrag ist es nicht. Niemand bezahlt uns dafür. Es ist mehr ein Freundschaftsdienst meiner Schwester Sandra für eine alte Freundin, um deren Tochter es
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