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Das unsichtbare Grauen

Das unsichtbare Grauen

Titel: Das unsichtbare Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer Spratt
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also hier in der Hütte geschlafen. Die zweite Person - der Unbekannte - war hinzugekommen, um dann mit der ersten Person zusammen das Weite zu suchen, nachdem er die Dachlawine ausgelöst hatte. Denn daß diese Lawine ein Zufall war, daran glaubte Sandra King keinen Moment.
      Plötzlich entdeckte sie etwas sehr Merkwürdiges: an einem der Bettpfosten, und zwar am Fußende links, hing eine verchromte Stahlkette und an deren Ende eine Fußfessel mit geöffnetem Schloß, als habe jemand ans Bett gefesselt gelegen und war nur befreit worden, um mit dem Unbekannten das Weite zu suchen.
      Nicht ganz freiwillig ... Wenig später entdeckte Sandra King schwere Schleifspuren, die im Schnee unterhalb des Fensters begannen und sich von der Hütte entfernten, als wäre ein Mensch auf einer Decke oder Plane gezogen worden.
      Die Agentin fröstelte. Auch ihr Overall hatte der unfreiwilligen Rast unter dem Schnee nicht ganz standhalten können und Kälte eingelassen. Noch mal sah Sandra King sich um. Dann schnallte sie ihre Ski auf den Rücken und machte sich an den fast unmöglichen Aufstieg im Steilhang, der ihr nur gelang, weil unter der dünnen Neuschneedecke fester »Betonschnee« war, in den sie ihre Stiefel schlagen konnte. Dennoch war sie total erschöpft, als sie nach über einer Stunde den Rand des Hochtales wieder erreichte. Aber sie war zu erfahren in schwierigen Situationen, als daß sie jetzt den Fehler gemacht und ihrem Wunsch nach Ruhe nachgegeben hätte. Sie wußte nur zu gut, daß sie eingeschlafen und nie wieder aufgewacht wäre.
      Also riß sie all ihre Kraft zusammen und schob sich mit gekonnten Langlaufschwüngen durch die Windungen des Hochtales, bis sie schließlich den Skilift wieder erreichte, der noch immer lief. Niemand war an der Talstation gewesen, um den Antrieb abzustellen. Das nützte Sandra jetzt aus und fuhr im Sessel hinunter. Zur Schußfahrt ins Tal war sie zu erschöpft. Außerdem schoben sich einige Wolken vor den Mond und ließen die Schneelandschaft in Dämmerlicht sinken, so daß es für die Abfahrt ohnehin nicht mehr ausreichte.
      Als sie die Talstation erreichte, sprang sie aus dem Sessellift und löste die Bindungen ihrer Ski. Mit entschlossenen Schritten betrat sie das Häuschen, in dem sich der Antrieb des Lifts befand. Ihre geschulten Augen fanden den Hauptschalter schnell. Sie legte ihn um. Der Lift stand still.
      »Und jetzt auf zum Grand Hotel«, dachte sie laut, befestigte die Ski wieder und glitt über den Neuschnee in den Straßen des Wintersportortes, vorüber an den Schaufenstern der teuren Boutiques und den elegant-diskreten Eingängen zu den exklusiven Bars, die zu dieser Stunde, nach fünf Uhr früh, allesamt schon geschlossen waren.
      Sandras Ziel war nicht das Luxushotel, in dem sie am vergangenen Nachmittag ihren Drink genossen hatte, und aus dem Tage zuvor die junge Patricia Anderson verschwunden war. Ihr Ziel war der Hubschrauber-Landeplatz unweit des Hotels, von dem aus der Bergführer und Pilot Bert Stämpfli seine Pistenflüge unternahm.
      Schwere Planen waren über beide Flugzeuge gezurrt und an Stahlpflöcken im Beton der Plättform verankert, so daß selbst ein schwerer Schneesturm ihnen nichts anhaben konnte. Da die Plattform durch ein sinnreiches System von Heizröhren, die im Beton eingelassen waren, eis- und schneefrei gehalten wurde, gab es hier keine Spuren, die auf eine kürzlich erfolgte Landung hinwiesen.
      Wiederum legte Sandra King ihre Ski ab und ging über die Plattform erst zum einen und dann zum anderen Hubschrauber. Als geübte Hubschrauberpilotin war es für sie eine Kleinigkeit, die richtigen Teile des Leitungssystems zu prüfen. Nein, da war keine Wärme zu spüren. Diese beiden Helikopter waren seit vielen Stunden nicht geflogen worden, dessen war sie absolut sicher. Also schaltete Bert Stämpfli als Verdächtiger im seltsamen Spiel aus. Achselzuckend befestigte die Agentin die Ski wieder an den Stiefeln und fuhr nun endgültig zurück zum Chalet Ludmilla Andersons. Es war inzwischen fast sechs Uhr.
      Als sie ihr Zimmer erreichte, machte sie Licht und sah sich um. Was hatte der Eindringling gesucht? Was hatte er gewollt? Er? Ebensogut mußte man auch eine Sie in Betracht ziehen. Die Spuren im Schnee stammten von Winterstiefeln mittlerer Größe...
      Sandra King brauchte sich nicht lange umzusehen. Auf dem Tisch lag eine Besuchskarte. Fein in schönster Schrift gestochen stand da geschrieben: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.

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