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Das Unsterblichkeitsprinzip

Titel: Das Unsterblichkeitsprinzip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Lang
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sein Selbst von Soongs Bewusstsein löste. Er war ganz in der Dramatik der Situation aufgegangen und jetzt begriff er, dass er den Ausgang kannte: Soong, Graves und Waslowick waren natürlich entkommen.
      Andernfalls hätte Soong wohl kaum Gelegenheit erhalten, ihn, Data, zu konstruieren. Wie seltsam, dass man so sehr von einer Situation gefesselt sein kann, obgleich man schon zu Anfang weiß, wie alles ausgeht. Mit Ausnahme der Romane um Sherlock Holmes war Data nie sehr an Seriengeschichten mit so genannten »Cliffhangern« interessiert gewesen, doch jetzt glaubte er Anlass gefunden zu haben, seinen Standpunkt zu überdenken. Manchmal lautet die wichtige Frage nicht »Was ist passiert?«, sondern »Wie ist es passiert?«
      Als er ins Bewusstsein seines Schöpfers zurückkehrte, stellte er erstaunt fest, dass die Ereignisse nicht wie in einem Holoprogramm angehalten, sondern sich weiter entwickelt hatten. Soong bückte sich, um Graves hochzuhelfen, der sich wenige Sekunden später schwer atmend über den Rand der Schlucht kämpfte. Soong befestigte die Antigravmodule mit den fast erschöpften Batterien am Seil, das er dann zu Waslowick hinabließ.
      Data spürte Soongs Zweifel daran, ob seine Kraft noch ausreichte, Waslowick nach oben zu ziehen – er fühlte sich ziemlich erschöpft –, aber dann hörte er, wie Graves aufstand.
      Soong nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihn zu mustern, stellte dabei erstaunt fest, dass die Furcht aus seinem Gesicht verschwunden und grimmiger Entschlossenheit gewichen war.
      Irgendwann auf dem Weg nach oben schien Graves entschieden zu haben, dass er leben wollte.
      Waslowicks Schnaufen und das Pochen, mit dem seine Füße gegen die Felswand stießen, hallten in der Höhle wider. Aber wenn zwischen einzelnen Atemzügen Stille herrschte, glaubte Soong zu hören, wie sich tief unten etwas bewegte. Schabte Fels über Fels? Oder war es das Stampfen vieler Füße? Soong wusste es nicht. Er hätte gern einen Scan mit seinem Tricorder vorgenommen, doch dadurch wären kostbare Sekunden verloren gegangen.
      Er blickte an Waslowicks erschöpftem Gesicht vorbei, von dem ihn keine zehn Meter mehr trennten, und versuchte, in der Tiefe etwas zu erkennen. Schatten tanzten hin und her, aber es ließ sich nicht feststellen, ob sie vom Seil oder anderen Bewegungen verursacht wurden. Als Waslowicks Kopf den Rand der Felswand erreichte, trat Graves vor und griff nach dem Arm des Professors. Waslowick nahm sich nicht einmal die Zeit, das Seil zu lösen, forderte seine beiden Begleiter mit einem ungeduldigen Wink auf, ihm durch den Tunnel zu folgen. Fünfhundert Meter weit führte er steil nach oben, durch mehrere Höhlen; anschließend würden sie sich vom Transporter der Raumjacht in Sicherheit beamen lassen.
      Waslowick und Graves wankten fort und stützten sich gegenseitig am eisverkrusteten Hang, aber Soong zögerte aus irgendeinem Grund. So erschöpft er auch war: Für einige Sekunden hielt er den Atem an und lauschte, beeindruckt davon, wie schnell die Stille zurückkehrte und wie natürlich sie wirkte. Es wehte kein Wind und es herrschte absolute Geräuschlosigkeit. Hatten sie sich völlig umsonst Sorgen gemacht?
      Und dann spürte Soong eine deutliche Vibration durch die Sohlen seiner Stiefel. Er schenkte Graves’ und Waslowicks Rufen keine Beachtung, nahm die Lampe, beugte sich über den Rand der Felswand und leuchtete in die Tiefe. Nach etwa zwanzig Metern verlor sich das Licht in der Finsternis. Soong schaltete die Lampe aus und bemerkte das matte Glühen der Orientierungslichter, die sie unten zurückgelassen hatten.
      Bewegten sich Schatten in ihrem Schein?
      Dies war ein Fehler, dachte Soong. Ich hätte keine Zeit verlieren dürfen.
      Er wich von der Felswand fort, eilte durch den Tunnel und dachte an den Weg, den er und die Kinder aus der Nachbarschaft damals zur Schule genommen hatten. Eine Abkürzung hatte über einen kleinen Streifen Land geführt, der einem misanthropischen Einsiedler gehörte. Voller Zorn über das wiederholte unbefugte Betreten seines Eigentums hatte sich der Mann einen Hund gekauft (oder ihn »gebaut«, wie die Kinder glaubten), ein großes, geiferndes Tier, das an seiner Kette zerrte, sich aufrichtete und laut bellte, wenn jemand zu nahe kam. Jenes Ungetüm hatte den achtjährigen Noonien entsetzt und selbst als Erwachsener hielt er auf fremden Grundstücken immer nach einem Hund Ausschau.
      Erinnerungen an das Tier erwachten in Soong,

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