Das Unsterblichkeitsprinzip
als er durch den Tunnel hastete, um zu Graves und Waslowick aufzuschließen. Sie setzten den Weg fort, als sie ihn sahen.
Kurze Zeit später fühlte Soong das vertraute Prickeln der Entmaterialisierung. Durch den silbrigen Glanz des Transporterstrahls glaubte er, lange, dünne Schatten zu sehen, geschmeidige Gestalten, die durch den Tunnel eilten. Data wusste es nicht, aber dieses Bild verschmolz mit den Erinnerungen an den Hund und erschien immer wieder in Noonien Soongs Träumen, bis zu jenem Tag, an dem er starb.
An Bord von Waslowicks Jacht traten Graves und Soong von der Transferplattform und blieben fast in der schmalen Tür stecken – jeder von ihnen wollte den Pilotensessel als Erster erreichen. Graves setzte sich durch und: Soong sank auf den Sitz des Kopiloten, kaum hatte er das Gleichgewicht wiedergefunden. Er beobachtete, wie Graves’ Hände über die Kontrollen huschten, hielt sich bereit für den Fall, dass ihm ein Fehler unterlief. Doch es ergaben sich keine Probleme. Nach knapp dreißig Sekunden stand Impulskraft zur Verfügung und fünf Minuten später war das Warptriebwerk einsatzbereit.
Soong entspannte sich erst, als die Sterne Streifenmuster bildeten – daraufhin gestattete er sich, das Gefühl von Wärme und Behaglichkeit zu genießen.
Sie flogen bereits seit zehn Minuten im Warptransfer, als jemand von ihnen auf den Gedanken kam, nach Waslowick zu sehen. Soong stand auf und fand den Professor in der kleinen zentralen Kabine – dort kochte er Tee. In den vergangenen zehn Minuten hatte es Waslowick geschafft, sich die Hände zu waschen, saubere Kleidung anzuziehen und wieder zum freundlichen Mentor zu werden. Soong beobachtete, wie er den Teebeutel ins Wasser tauchte, hielt dabei nach der anderen Person Ausschau, die er bis vor einer halben Stunde gewesen war – nichts deutete mehr auf sie hin. Data wäre fast bereit gewesen, an seinen Erinnerungen zu zweifeln. Fast.
Soong streifte die Handschuhe ab und rieb sich die Finger.
Seltsamerweise spürte er Waslowick gegenüber keine Scheu mehr. Nun, es war schwer, jemandem gegenüber unsicher zu sein, den man wie einen Sack feuchter Wäsche an einer Felswand emporgezogen hatte. »Und jetzt?«, fragte er knapp.
»Jetzt trinken wir erst einmal Tee«, erwiderte Waslowick.
»Wir bringen unseren Androiden ins Laboratorium und untersuchen ihn dort. Gründlich. Wenn niemand zusieht.«
»Und wir kehren nicht zurück.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Soong überlegte, ob er den Satz wiederholen und dabei das Wort »wir« wiederholen sollte, aber vermutlich verstand Waslowick auch so.
»Nein«, sagte der Professor. »Ich glaube nicht. Falls wir etwas geweckt haben… Vielleicht legt es sich wieder schlafen, wenn wir es ungestört lassen.«
»Falls wir etwas geweckt haben?«, fragte Soong ungläubig.
»Haben Sie etwas gesehen?«
Soong dachte über die Frage nach und schüttelte schließlich den Kopf.
»Hat der Tricorder etwas angezeigt?«
»Es gab eine Art… Schirmfeld«, sagte Soong. »Glaube ich.«
»Die Antwort lautet also nein«, stellte Waslowick fest.
Soong zuckte mit den Schultern und sah keinen Sinn darin, dem Professor zu widersprechen. Wahrscheinlich würde sich ihm nie die Gelegenheit bieten, ein Schiff zu chartern und zu jenem abgelegenen Planeten zurückzukehren. Und selbst wenn das doch der Fall war: Ein anderes Raumschiff musste damit rechnen, entdeckt zu werden. Inzwischen war Soong ziemlich sicher, dass diese Jacht etwas Besonderes darstellte. Sie war mehr, als sie zu sein schien, ebenso wie ihr Besitzer.
»Damit ist die Sache also erledigt?«
Waslowick seufzte und trank einen Schluck Tee. »Wenn Sie Glück haben, Noonien, ja.«
Soong zog die Jacke aus und hängte sie über die Rückenlehne eines Stuhls. »Wissen Sie was, Professor? Ich hatte nie Glück. Zumindest nicht in dieser Hinsicht.«
Ein dünnes Lächeln umspielte Waslowicks Lippen.
»Vielleicht ist das besser für Sie.«
Soong besorgte sich eine Ration aus der Kombüse und überlegte, ob er Graves etwas bringen sollte. Nein, dachte er.
Er bringt vermutlich noch nichts hinunter. Lassen wir ihm etwas mehr Zeit…
Als er schließlich heimkehrte, schlief Noonien Soong sechsunddreißig Stunden. Nach dem Erwachen aß er mehr als normalerweise an drei Tagen, um dann noch einmal vier oder fünf Stunden zu schlafen. Fast drei Tage lang blieb er Waslowicks Laboratorium fern.
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