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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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er sich anstrengen oder Schritte machen muss.
    »Womit?«, sage ich und zeige ihm meine leeren Hände.
    »Hättest dich bewaffnen sollen, Kumpel. Mit voller Montur.«
    » Virginia hat zu uns gesagt, dass wir nicht der Schwäche der Waffen verfallen sollen.«
    Jimmy de Soto schnauft verächtlich. »Klar. Du weiß doch, was es dieser blöden Zicke eingebracht hat. Achtzig auf hundert, ohne Bewährung.«
    »Das kannst du gar nicht wissen«, sage ich geistesabwesend, weil ich mich hauptsächlich auf den Lärm meines Verfolgers konzentriere. »Du bist viele Jahre vorher gestorben.«
    »Komm schon, wer stirbt heutzutage noch wirklich?«
    » Versuch das einem Katholiken begreiflich zu machen. Auf jeden Fall bist du wirklich gestorben, Jimmy. Unwiederbringlich, wie ich mich erinnere.«
    »Was ist ein Katholik?«
    »Erkläre ich dir später. Hast du Zigaretten?«
    »Zigaretten? Was ist mit deinem Arm passiert?«
    Ich durchbreche die Spirale der Unlogik und blicke auf meinen Arm. Jimmy hat Recht. Die Narben auf meinem Unterarm haben sich in eine frische Wunde verwandelt, aus der Blut quillt und in meine Hand rinnt. Demzufolge…
    Ich lege eine Hand an mein linkes Auge und spüre etwas Feuchtes. Dann betrachte ich meine blutigen Finger.
    »Schwein gehabt«, sagt Jimmy de Soto mit kritischer Miene. »Sie haben die Augenhöhle verfehlt.«
    Er weiß, wovon er spricht. In seiner linken Augenhöhle schwimmt ein matschiger Brei, das, was übrig geblieben ist, nachdem er sich auf Innenin den Augapfel mit den Fingern herausgezogen hat. Niemand hat je in Erfahrung gebracht, was er in diesem Moment halluziniert hat. Als man Jimmy und die anderen vom Innenin-Brückenkopf zur pychochirurgischen Digitalisierung gebracht hat, war ihr Geist durch das Virus der Verteidiger bereits so stark zerstört, dass sich nichts mehr rekonstruieren ließ. Das Programm war so virulent, dass die Klinik es damals nicht einmal gewagt hat, die Überreste zur späteren Auswertung im Stack zu lassen. Was noch von Jimmy de Soto übrig ist, befindet sich auf einer versiegelten Diskette, die mit der roten Aufschrift KONTAMINIERTE DATEN versehen ist und irgendwo im Keller des Hauptquartiers des Envoy Corps aufbewahrt wird.
    »Ich muss etwas dagegen tun«, sage ich mit leichter Verzweiflung. Die Geräusche, die mein Verfolger den Wänden entlockt, kommen gefährlich näher. Das letzte Stück Sonne taucht hinter den Hügeln unter. Blut strömt von meinem Arm und von meinem Gesicht.
    »Riechst du das?«, fragt Jimmy und reckt die Nase in die kühle Luft, die uns umgibt. »Sie wechseln es.«
    » Was?« Doch im selben Moment, als ich es sage, rieche ich es ebenfalls. Ein frischer, belebender Duft, nicht unähnlich dem Weihrauch in den Laken des Hendrix, aber doch ein wenig anders, nicht ganz so schwer und dekadent wie der ursprüngliche Duft, mit dem ich eingeschlafen bin, vor nicht mehr als…
    »Es wird Zeit zu gehen«, sagt Jimmy, und ich will ihn gerade fragen, wohin, als mir klar wird, dass er mich meint, und dann bin ich
    Wach.
    Ich riss die Augen auf und sah die psychedelische Wandbemalung des Hotelzimmers. Schlanke, verlorene Gestalten in Kaftanen verteilten sich über eine grüne Wiese mit gelben und weißen Blumen. Ich runzelte die Stirn und griff nach dem verhärteten Narbengewebe an meinem Unterarm. Kein Blut. Mit dieser Erkenntnis wurde ich ganz wach und setzte mich im großen roten Bett auf. Der veränderte Weihrauchduft, der mich ins Bewusstsein zurückgestoßen hatte, löste sich nun in den von Kaffee und frischem Brot auf. Der olfaktorische Weckruf des Hendrix. Licht drang durch eine mangelhafte Stelle im polarisierten Glas des Fensters in den dämmrigen Raum.
    »Sie haben einen Besucher«, sagte die Stimme des Hendrix.
    »Wie spät ist es?«, krächzte ich. Die Rückseite meiner Kehle schien großzügig mit supergekühltem Klebstoff bestrichen worden zu sein.
    »Zehn Uhr sechzehn Ortszeit. Sie haben sieben Stunden und zweiundvierzig Minuten geschlafen.«
    »Und wer ist mein Besucher?«
    »Oumou Prescott«, sagte das Hotel. »Wünschen Sie ein Frühstück?«
    Ich stieg aus dem Bett und ging ins Bad. »Ja. Kaffee mit Milch, weißes Fleisch, gut durch, und irgendeinen Fruchtsaft. Du kannst Prescott nach oben schicken.«
    Als die Tür summte, hatte ich die Dusche verlassen und stapfte in einem blau schillernden Bademantel mit Goldborte herum. Ich holte mein Frühstück aus dem Servicefach und balancierte das Tablett auf einer Hand, während ich die Tür

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