Das Unsterblichkeitsprogramm
gibt viele Orte, wo ich äußerst unbeliebt bin, aber nicht bei Leuten, die solche Verbindungen oder so viel Geld haben. Ich bin nicht nobel genug, um mir auf diesem Niveau Feinde zu machen. Wer Kadmin auf mich angesetzt hat, weiß, dass ich für Bancroft arbeite.«
Ortega grinste. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Ihr Name wäre nicht gefallen.«
Müdigkeit, Takeshi. Ich sah Virginia Vidaura vor mir, wie sie tadelnd den Finger hob. Das Envoy Corps lässt sich nicht von lokalen Gesetzeshütern kleinkriegen.
Ich taumelte weiter, so gut ich konnte.
»Sie wussten, wer ich bin. Männer wie Kadmin lungern nicht vor irgendwelchen Hotels herum, um Touristen auszurauben. Hören Sie auf mit dem Blödsinn, Ortega.«
Sie wartete, bis sich mein Unmut in Schweigen aufgelöst hatte. »Also hat man ihn auch auf Bancroft angesetzt? Könnte sein. Und was würde das bedeuten?«
»Das würde bedeuten, dass Sie die Ermittlungen wieder aufnehmen sollten.«
»Sie haben nicht richtig zugehört, Kovacs.« Sie bedachte mich mit einem Lächeln, das geeignet war, einen bewaffneten Angriff zu stoppen. »Der Fall ist abgeschlossen.«
Ich ließ mich zurücksinken und beobachtete sie eine Weile durch den Rauch. »Wissen Sie«, sagte ich schließlich, »als Ihr Aufräumkommando heute Abend eintraf, hat einer der Männer mir seine Marke lange genug gezeigt, sodass ich sie mir tatsächlich ansehen konnte. Phantasievolle Gestaltung, aus der Nähe betrachtet. Der Adler und das Wappen. Und all die Buchstaben drum herum.«
Mit einer Geste forderte sie mich zum Weitersprechen auf, und ich nahm einen weiteren Zug von der Zigarette, bevor ich den Stachel zückte.
»Zu schützen und zu dienen? Ich schätze, als Sie zum Lieutenant befördert wurden, haben Sie längst nicht mehr an diesen Unsinn geglaubt.«
Treffer. Ein Muskel zuckte unter einem Auge, und sie sog die Wangen ein, als hätte sie etwas Bitteres getrunken. Sie starrte mich an, und ich dachte, dass ich vielleicht zu weit gegangen war. Dann ließ sie die Schultern sinken und seufzte.
»Ach, erzählen Sie doch, was Sie wollen. Was, zum Henker, wissen Sie überhaupt darüber? Bancroft ist anders als Menschen wie Sie und ich. Er ist ein verfluchter Meth.«
»Ein Meth?«
»Ja, ein Meth. Sie wissen schon, und Methusalem ward neunhundertneunundsechzig Jahre alt. Er ist alt. Ich meine, richtig alt.«
»Ist das ein Verbrechen, Lieutenant?«
»Es sollte eins sein«, sagte Ortega verbittert. »Man verändert sich, wenn man so lange lebt. Man nimmt sich selbst viel zu wichtig. Am Ende hält man sich für Gott. Irgendwann spielen die kleinen Menschen, die gerade dreißig oder vierzig Jahre alt sind, eigentlich gar keine Rolle mehr. Man hat erlebt, wie ganze Kulturen entstehen und vergehen, und man bekommt das Gefühl, dass man außerhalb von allem steht und dass einen das alles gar nichts mehr angeht. Und irgendwann fängt man an, die kleinen Menschen wie Gänseblümchen zu pflücken oder wie Unkraut auszurupfen.«
Ich bedachte sie mit einem strengen Blick. »Werfen Sie Bancroft so etwas vor?«
»Ich rede nicht von Bancroft«, wischte sie den Einwand mit einer ungeduldigen Geste beiseite, »ich meine diese Art von Menschen. Sie sind wie die KIs. Eine eigene Rasse oder Spezies. Sie sind nicht mehr menschlich, sie gehen mit Menschen um, wie Sie und ich mit Insekten umgehen. Aber wenn man es mit der Polizei von Bay City zu tun hat, kann man sich durch diese Haltung eine Menge Ärger einhandeln.«
Ich dachte an Reileen Kawaharas Exzesse und fragte mich, wie weit Ortega daneben lag. Auf Harlans Welt konnten es sich die meisten Menschen leisten, mindestens einmal resleevt zu werden, aber in der Praxis war es so, dass die Leute, wenn sie nicht sehr reich waren, jedes Mal ihre gesamte Lebensspanne ausnutzen mussten, und das Alter konnte selbst mit einer Antisen-Behandlung eine mühsame Angelegenheit werden. Beim zweiten Mal war es umso schlimmer, weil man bereits wusste, was einen erwartete. Nicht viele brachten das Durchhaltevermögen auf, es mehr als zweimal zu machen. Die meisten ließen sich danach freiwillig einlagern und gönnten sich nur gelegentliche Wiederbelebungen zu Familienereignissen. Natürlich wurden diese Gelegenheiten immer seltener, wenn die neuen Generationen vorpreschten und sich die alten Bindungen abschwächten.
Man brauchte die entsprechende Persönlichkeit, um weiterzumachen, um den Willen zum Weitermachen aufzubringen, um immer wieder ein neues Leben in einem neuen Sleeve
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