Das Unsterblichkeitsprogramm
Sullivan trennte das Original vom Durchschlag und reichte mir die rosafarbene Kopie. Dann gab die Ärztin ihm ein zweites Dokument.
»Dies ist die ärztliche Bescheinigung, dass Takeshi Kovacs (d. I.) intakt von der Justizverwaltung von Harlans Welt übernommen und anschließend in einen neuen Körper gesleevt wurde. Bezeugt durch mich und die interne Überwachung. Eine Kopie der Daten, die Übertragung und Tankverwahrung betreffend, befindet sich auf der beigefügten Disk. Bitte unterschreiben Sie die Erklärung.«
Ich blickte auf und suchte vergeblich nach Hinweisen auf die Existenz von Kameras. Aber es hatte keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Also unterschrieb ich ein zweites Mal.
»Das hier ist eine Kopie der Leasingvereinbarungen, denen Sie unterworfen sind. Bitte lesen Sie sie aufmerksam durch. Falls Sie eine der Bestimmungen verletzen, können Sie unverzüglich wieder eingelagert werden, worauf Sie die volle Dauer Ihrer Strafe entweder hier oder in einer anderen Anstalt verbüßen werden. Haben Sie die Bestimmungen verstanden, und verpflichten Sie sich, ihnen Folge zu leisten?«
Ich überflog die Papiere. Es war der übliche Sermon. Eine leicht modifizierte Variante der Bewährungsbestimmungen, die ich auf Harlans Welt schon ein halbes Dutzend Mal unterschrieben hatte. Die Formulierungen waren etwas steifer, aber der Inhalt war identisch. Der gleiche Blödsinn mit anderem Namen. Ich unterschrieb, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Gut.« Sullivan schien nun etwas von seiner Härte verloren zu haben. »Sie haben großes Glück gehabt, Kovacs. Nutzen Sie diese Gelegenheit.«
Kam es diesen Leuten nicht irgendwann zu blöd vor, so etwas zu sagen?
Ohne ein Wort faltete ich meine Papiere zusammen und steckte sie zum Brief in die Jackentasche. Ich wollte mich gerade zum Gehen wenden, als die Ärztin aufstand und mir eine kleine weiße Karte reichte.
»Mr. Kovacs.«
Ich hielt inne.
»Es sind keine größeren Anpassungsschwierigkeiten zu erwarten«, sagte sie. »Es ist ein gesunder Körper, und Sie sind an diese Prozedur gewöhnt. Falls es doch zu Problemen kommen sollte, wählen Sie diese Nummer.«
Ich streckte den Arm aus und nahm ihr das kleine Rechteck aus Pappe mit maschinenhafter Präzision aus der Hand. Diese Eigenschaft meines Körpers war mir zuvor noch gar nicht aufgefallen. Das Neurachem tat seine Wirkung. Meine Hand deponierte die Karte in der gleichen Tasche, die auch die übrigen Papiere enthielt. Dann ging ich, ohne ein weiteres Wort, durchquerte den Empfangsraum und stieß die Tür auf. Es mochte vielleicht etwas undankbar erscheinen, aber ich war der Ansicht, dass sich in diesem Gebäude noch niemand meine Dankbarkeit verdient hatte.
Sie haben großes Glück gehabt, Kovacs. Klar doch. Einhundertachtzig Lichtjahre von zu Hause entfernt, im Körper eines Fremden, den ich auf der Basis eines sechswöchigen Pachtvertrages nutzen konnte. Angefordert, um einen Auftrag zu erledigen, den die hiesige Polizei nicht einmal mit einem Knüppel berühren wollte. Im Fall des Scheiterns sofortige Rückkehr in die Anstalt. Ich hatte so großes Glück gehabt, dass ich am liebsten vor Freude gesungen hätte, als ich durch die Tür nach draußen trat.
2
Die Eingangshalle war riesig, aber praktisch menschenleer. Kein Vergleich mit dem Bahnhof von Millsport. Unter dem schrägen Dach aus langen transparenten Platten schimmerte der Glasboden bernsteingelb im nachmittäglichen Sonnenlicht. Ein paar Kinder spielten mit den Automatiktüren am Ausgang, und ein einsamer Reinigungsroboter fuhr schnuppernd an einer Wand entlang. Sonst bewegte sich nichts. Wie Gestrandete des Lichtmeeres saßen vereinzelte Menschen auf Bänken aus altem Holz und warteten schweigend auf Freunde oder Angehörige, die aus dem Carboneogenexil zurückkehren sollten.
Im Download-Bahnhof.
Diese Menschen würden ihre Bekannten oder Verwandten in den neuen Sleeves nicht wiedererkennen. Nur für die Heimkehrenden hätte das Wiedersehen etwas Vertrautes, während die Wiedersehensfreude für jene, die auf sie warteten, von kalter Furcht gedämpft wurde, weil sie nicht wussten, welchen neuen Gesichtern und Körpern sie Zuneigung entgegenbringen mussten. Vielleicht entstammten sie auch ganz neuen Generationen, die auf Verwandte warteten, die für sie nicht mehr als eine vage Kindheitserinnerung oder gar eine Familienlegende waren. Im Corps hatte ich einen Mann kennen gelernt, Murakami, dem die Freilassung seines Urgroßvaters
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