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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Williams scheint diesem Bild nicht zu entsprechen. Bestimmt ist sie nicht untüchtig.»
    «Das kann man wohl sagen. Sie ist sehr tüchtig und gescheit.»
    «Ich weiß, und was sie geschrieben hat, klingt absolut wahr. Das hat mich am meisten getroffen. Ich glaube, wir wissen nun die Wahrheit! Aber Miss Williams hat ganz Recht, man muss die Wahrheit akzeptieren; es ist nicht gut, sein Leben auf einer Lüge aufzubauen. Ich werde also die Tatsache akzeptieren müssen, dass meine Mutter nicht unschuldig war. Sie schrieb mir diesen Brief, weil sie schwach und unglücklich war und meine Gefühle schonen wollte. Ich verurteile sie nicht. Vielleicht würde ich das Gleiche tun – ich weiß nicht, wie weit das Gefängnis einen Menschen beeinflusst; und ich kann ihr auch keinen Vorwurf daraus machen, dass sie verzweifelt war. Sie konnte eben nicht anders. Doch auch meinen Vater verurteile ich nicht; er war so lebendig, er wollte alles vom Leben haben… er war nun einmal so veranlagt, und ich habe Verständnis für ihn. Außerdem war er ein genialer Maler, das entschuldigt vieles.»
    «Sie glauben nun also an die Schuld Ihrer Mutter?», fragte Poirot.
    «Was bleibt mir anderes übrig?», antwortete sie mit zitternder Stimme.
    Poirot klopfte ihr väterlich auf die Schulter.
    «Sie geben den Kampf in dem Moment auf, da es sich am meisten lohnt, zu kämpfen – in dem Moment, da ich, Hercule Poirot, zu wissen glaube, was sich wirklich ereignet hat.»
    Carla starrte ihn an.
    «Miss Williams liebte meine Mutter, und sie sah mit ihren eigenen Augen, wie sie dafür sorgte, dass die Fingerabdrücke meines Vaters auf der Flasche zu finden sein würden. Wenn Sie glauben, was sie schreibt…»
    Hercule Poirot stand auf und sagte:
    «Mademoiselle, gerade diese Erklärung von Cecilia Williams, dass sie sah, wie Ihre Mutter die Finger Ihres Vaters auf die Bierflasche – die Bierflasche, sage ich – presste, ist für mich der Beweis, dass Ihre Mutter Ihren Vater nicht getötet hat!»
    Er nickte mehrmals und ging.
    Carla starrte ihm nach.

2
     
    « W omit kann ich Ihnen dienen, Monsieur Poirot?», fragte Philip Blake, ohne seine Ungeduld zu verbergen.
    «Ich möchte Ihnen für Ihren ausgezeichneten und besonders klaren Bericht über die Crale-Tragödie danken», entgegnete Poirot.
    Etwas verlegen murmelte Philip Blake:
    «Sehr liebenswürdig. Es hat mich selbst überrascht, an wie viel ich mich noch erinnerte.»
    «Wie gesagt, der Bericht ist ausgezeichnet, aber es fehlt einiges.»
    «Es fehlt einiges?», wiederholte Blake stirnrunzelnd.
    «Ihr Bericht ist nicht ganz aufrichtig.» Poirots Stimme wurde schärfer. «Ich habe erfahren, Mr Blake, dass in jenem Sommer Mrs Crale einmal gesehen wurde, wie sie zu einer kompromittierenden Zeit, am späten Abend, aus Ihrem Schlafzimmer kam.»
    In dem Schweigen, das nun folgte, hörte man Blakes heftiges Atmen, schließlich fragte er:
    «Wer hat das gesagt?»
    «Das spielt keine Rolle. Das Entscheidende ist, dass ich es weiß.»
    Wieder folgte Schweigen. Dann entschloss Philip Blake sich zu sprechen. Er räusperte sich und sagte:
    «Durch Zufall scheinen Sie eine ganz private Angelegenheit erfahren zu haben. Ich gebe zu, dass es im Widerspruch zu meinem Bericht steht, aber nur scheinbar. Daher werde ich Ihnen jetzt die Wahrheit sagen.
    Ich habe stets etwas gegen Caroline Crale gehabt, doch gleichzeitig fühlte ich mich heftig zu ihr hingezogen. Vielleicht wurde meine Abneigung gerade durch meine Zuneigung hervorgerufen – ich war erbittert über die Macht, die sie über mich hatte, und versuchte meine Zuneigung zu unterdrücken, indem ich ständig das Schlechte bei ihr suchte. Ich habe sie nie gern gehabt, verstehen Sie? Aber sie hat stets einen starken erotischen Reiz auf mich ausgeübt; schon als junger Bursche war ich verliebt in sie. Sie beachtete mich nicht, und das konnte ich ihr nie vergessen. Meine Chance kam, als Amyas sich Hals über Kopf in Elsa Greer verliebte. Fast ohne es zu wollen, gestand ich nun Caroline meine Liebe, und sie antwortete gelassen: ‹Das habe ich schon immer gewusst.› Eine Unverschämtheit!
    Natürlich war mir klar, dass sie mich nicht liebte, aber sie war infolge von Amyas’ Verhalten verstört und enttäuscht. Eine Frau in dieser Stimmung ist leicht zu erobern; sie versprach, in der Nacht zu mir zu kommen. Und sie kam.»
    Blake hielt inne, es fiel ihm sichtlich schwer weiterzusprechen.
    «Sie kam in mein Zimmer. Und dann sagte sie mir, während ich sie schon in

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