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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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das von Amyas gemalt wurde.
    Zum ersten Mal fiel mir etwas auf, als ich eines Tages nach dem Mittagessen von der Terrasse aus hörte, wie Elsa sagte, sie werde Amyas heiraten. Es kam mir einfach lächerlich vor, und ich erinnere mich noch, dass ich im Garten von Handcross Manor zu Amyas sagte: «Wie kann Elsa behaupten, sie würde dich heiraten, Amyas? Das geht doch nicht. Ein Mann kann doch nicht zwei Frauen haben, das wäre ja Bigamie, und dafür kommt man ins Gefängnis.»
    Wütend fuhr Amyas mich an: «Wieso hast du denn das gehört?»
    Ich sagte, dass ich es durch das Bibliotheksfenster gehört hätte. Noch wütender versetzte er, es sei höchste Zeit, dass ich ins Internat käme und nicht mehr lauschen könnte.
    Ich weiß heute noch, wie empört ich war, denn ich fand diese Unterstellung äußerst ungerecht.
    Wütend erwiderte ich, dass ich nicht gelauscht hätte, und fragte ihn, wieso Elsa so etwas Blödes sagen könnte. Amyas antwortete, es sei nur ein Scherz gewesen. Das hätte mir genügen sollen, aber ich war nicht ganz befriedigt und sagte auf dem Rückweg zu Elsa: «Ich habe Amyas gefragt, wieso Sie behaupten konnten, Sie würden ihn heiraten, und er hat gesagt, es sei nur ein Scherz von Ihnen gewesen.»
    Ich hatte erwartet, dass sie das ärgern würde, doch sie lächelte nur. Ihr Lächeln gefiel mir aber nicht. Ich ging dann ins Schlafzimmer zu Caroline, die sich gerade zum Essen umzog, und fragte sie unumwunden, ob es denn überhaupt möglich sei, dass Amyas und Elsa heiraten.
    An Carolines Antwort erinnere ich mich, als wäre es heute; sie muss mit großem Nachdruck gesprochen haben.
    «Amyas kann Elsa erst nach meinem Tod heiraten», sagte sie. Das beruhigte mich vollkommen. Ich war jedoch auf Amyas noch immer wütend wegen seiner Bemerkung am Nachmittag und stritt mich während des Abendessens ständig mit ihm, und nach dem Essen kam es zu einem richtigen Krach. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer und ging schluchzend zu Bett.
    An den Nachmittag bei Meredith Blake erinnere ich mich nur sehr dunkel, ich weiß nur noch, dass er aus Phaidon eine Beschreibung des Todes von Sokrates vorlas.
    Ebenso wenig erinnere ich mich an das, was am nächsten Morgen geschah, obwohl ich immer wieder darüber nachgedacht habe. Ich glaube, dass ich schwimmen ging und später gezwungen wurde, etwas zu nähen.
    Doch all das ist sehr nebelhaft und undeutlich – bis zu dem Augenblick, da Meredith keuchend auf der Terrasse erschien. Er sah grau und merkwürdig aus. Ich erinnere mich, dass Elsa ihre Kaffeetasse fallen ließ, die zerbrach, und dass sie aufsprang und davonrannte. Sie sah schreckenerregend aus.
    Ich sagte dauernd zu mir: «Amyas ist tot!», aber ich konnte es nicht wirklich glauben. Dann kam Dr. Faussett, und Miss Williams kümmerte sich um Caroline. Ich ging verloren umher und stand allen im Weg; mir war elend zumute. Zur Schanze hinunter durfte ich nicht. Dann kam die Polizei, alles Mögliche wurde notiert, und schließlich wurde Amyas’ Leiche auf einer Bahre mit einem Leintuch zugedeckt ins Haus gebracht.
    Später holte Miss Williams mich in Carolines Zimmer. Caroline lag totenblass auf dem Sofa. Sie küsste mich und sagte, sie wünsche, dass ich so schnell wie möglich fortführe, zu Lady Tressillian, alles sei entsetzlich, aber ich solle nicht weiter darüber nachdenken. Ich umarmte Caroline und sagte, ich wolle nicht fortgehen, ich wolle bei ihr bleiben. Sie erwiderte, es sei aber besser für mich fortzugehen, es würde ihr viel Sorge ersparen.
    Nun griff Miss Williams ein und sagte:
    «Du nützt deiner Schwester am meisten, Angela, wenn du ohne Widerrede ihren Wunsch erfüllst.»
    So erklärte ich mich einverstanden, und Caroline sagte: «Du bist lieb, Angela.»
    Dann umarmte sie mich noch einmal.
    Als ich in die Halle hinunterkam, stellte ein Polizeiinspektor mir einige Fragen. Er war sehr nett, wollte wissen, wann ich Amyas zuletzt gesehen hatte, und stellte noch viele andere Fragen, die mir damals überflüssig vorkamen, deren Wichtigkeit ich aber heute natürlich einsehe. Er fand, dass ich ihm nichts Neues mitteilen konnte, und sagte zu Miss Williams, dass er gegen meine Abreise nichts einzuwenden habe.
    Ich ging also fort, und Lady Tressillian nahm mich sehr liebevoll auf. Natürlich erfuhr ich bald die Wahrheit. Caroline wurde sofort verhaftet. Ich war so entsetzt darüber, dass ich sehr krank wurde.
    Später hörte ich, dass Caroline sich meinetwegen große Sorgen mache, und auf ihr

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