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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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natürlich an den Fall, aber nicht sehr genau. Sein Vater war damit befasst, er selbst sei damals erst neunzehn Jahre alt gewesen. Ja, der Fall habe viel Staub aufgewirbelt. Crale war ja eine Berühmtheit gewesen. Seine Bilder waren ausgezeichnet, wirklich ausgezeichnet. Monsieur Poirot möchte es ihm nicht übel nehmen, aber er verstehe sein Interesse nicht… Ach so, die Tochter! Sie möchte es wissen? Aber was gab es denn da zu wissen? Die Prozessprotokolle lägen ja vor. Er selbst wisse wirklich nichts.
    Leider bestehe wohl kaum ein Zweifel an Mrs Crales Schuld. Es gebe natürlich gewisse Entschuldigungen. Diese Künstler… höchst schwierig, mit ihnen zu leben. Soviel er wisse, habe Crale ständig Frauengeschichten gehabt.
    Und sie sei wahrscheinlich eine jener Frauen gewesen, die auf ihr Recht pochen, die sich nicht mit den Tatsachen abfinden können. Heutzutage hätte sie sich einfach von ihm scheiden lassen und wäre darüber hinweggekommen. Dann fügte er vorsichtig hinzu:
    «Und Lady Dittisham war, glaube ich, das Mädchen, um das es ging. Von Zeit zu Zeit bringen – die Zeitungen etwas über sie. Sie stand schon mehrmals vor dem Scheidungsrichter. Sie ist sehr reich, wie Sie wohl wissen werden. Vor Dittisham war sie mit einem berühmten Forschungsreisenden verheiratet. Sie steht immer im Rampenlicht; sie braucht das, nehme ich an.»
    «Vielleicht ist sie aber auch eine Heldenverehrerin», warf Poirot ein.
    «Vielleicht», sagte Mayhew.
    «War Ihr Herr Vater schon lange Mrs Crales Rechtsberater gewesen?»
    Mayhew schüttelte den Kopf.
    «Nein. Jonathan & Jonathan waren Crales Anwälte. Unter den gegebenen Umständen fand Mr Jonathan, dass er nicht gut für Mrs Crale eintreten könne, und so veranlasste er meinen Vater, ihre Betreuung zu übernehmen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, Monsieur Poirot, sich mit Mr Jonathan in Verbindung zu setzen. Er hat sich zwar zu Ruhe gesetzt – er ist über siebzig –, aber er kennt die Familie Crale genau und kann Ihnen bestimmt wesentlich mehr sagen als ich. Ich war ja damals noch sehr jung, und ich glaube, ich war noch nie bei einer Verhandlung dabei gewesen.»
    Die beiden Herren erhoben sich, Mayhew schlug vor: «Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Edmunds, unserem Bürovorsteher. Er war damals schon bei uns und hat sich sehr für den Fall interessiert.»
     
    Mr Alfred Edmunds sprach langsam und vorsichtig. Er musterte Poirot erst eine Weile, bevor er sich zum Sprechen entschloss; schließlich sagte er:
    «Ja, ich erinnere mich noch sehr gut an den Fall Crale», und fügte streng hinzu: «Es war eine unglückliche Angelegenheit. Es ist eigentlich schon zu lange her, um das alles wieder auszugraben.»
    «Ein Gerichtsurteil ist nicht immer etwas Endgültiges. Mrs Crale hat eine Tochter zurückgelassen, und diese Tochter ist von der Unschuld ihrer Mutter überzeugt. Könnten Sie mir irgendetwas sagen, was diesen Glauben stützen würde?»
    Edmunds überlegte und schüttelte schließlich langsam den Kopf.
    «Als gewissenhafter Mensch kann ich das nicht. Ich habe Mrs Crale sehr geschätzt. Was sie auch getan haben mochte – sie war eine Dame! Die andere war ein Frauenzimmer, anders kann man sie nicht bezeichnen. Schamlos, unverschämt, das war sie, und sie machte auch gar kein Hehl daraus. Mrs Crale aber war, wie gesagt, eine Dame.»
    «Und doch eine Mörderin?»
    Edmunds runzelte die Stirn und wurde auf einmal lebhaft.
    «Das habe ich mich oft gefragt. Sie wirkte so ruhig, freundlich und irgendwie zart auf der Anklagebank. Ich kann es nicht glauben, habe ich mir wieder und wieder gesagt. Aber, Monsieur Poirot, man kann nichts anderes glauben. Dieser Schierlingssaft war nicht von selbst in Mr Crales Bier gekommen. Jemand hat ihn hineingetan, und wenn Mrs Crale es nicht getan hat – wer denn sonst?»
    «Genau das ist die Frage: Wer sonst?»
    «Sie glauben, es könnte jemand anders gewesen sein?»
    «Was ist Ihre Meinung?»
    «Es kam niemand anders infrage.»
    «Waren Sie bei der Verhandlung?»
    «Bei jeder Sitzung.»
    «Sie haben alle Zeugenaussagen gehört?»
    «Ja.»
    «Ist Ihnen bei keiner etwas aufgefallen, irgendeine Unaufrichtigkeit zum Beispiel?»
    «Sie meinen, ob jemand gelogen hat?», fragte Edmunds unumwunden zurück. «Wer hatte ein Interesse an Mr Crales Tod? Entschuldigen Sie bitte, Monsieur Poirot, aber Ihre Idee kommt mir reichlich ausgefallen vor.»
    «Denken Sie doch bitte einmal nach», drängte Poirot.
    Stirnrunzelnd überlegte Edmunds und

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