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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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    Er machte sich eine weitere Tasse Instantkaffee und tat zwei Stücke Zucker hinein. Er hatte am Vorabend eine Stunde mit diesen Fragen verbracht, und an diesem Morgen bereits eine weitere Stunde. Die Sonne war noch kaum aufgegangen. Sein Frühstück hatte aus einer Banane und einem altbackenen Croissant bestanden. Er biß ein kleines Stück von dem Croissant ab, dachte über die letzte Frage nach und beantwortete sie dann mit einem Bleistift in einer säuberlichen, fast umständlichen Handschrift - alles in Blockbuchstaben, weil seine normale Schrift unausgeglichen und kaum leserlich war. Und er wußte, daß, noch bevor es dunkel wurde, eine ganze Horde von Handschriftenexperten beider Seiten über seinen Worten brüten würden, weniger an dem interessiert, was er sagte, als an der Art, wie er seine Buchstaben formte. Er wollte ordentlich und nachdenklich wirken, intelligent und vorurteilsfrei, imstande, mit beiden Ohren zu hören, und zu fairen Entscheidungen fähig, ein Unparteiischer, den sie haben wollten.
    Er hatte drei Bücher über alle mit der Handschriftenanalyse verbundenen Probleme gelesen.
    Er blätterte zu der Frage nach den Tabaksubventionen zurück, weil sie besonders schwierig war. Er hatte eine Antwort parat, weil er viel über das Thema nachgedacht hatte, und wollte sie klar formulieren. Oder vielleicht auch vage. Vielleicht auf eine Art, die seine Ansicht nicht verraten, aber keine der beiden Seiten verschrecken würde.
    Ein Großteil genau derselben Fragen war auch bei dem Cimmino-Fall im vorigen Jahr in Allentown, Pennsylvania, gestellt worden. Nicholas war damals David gewesen, David Lancaster, Teilzeit-Filmstudent mit einem echten dunklen Bart und einer falschen Hornbrille, der in einem Videoverleih arbeitete. Er hatte den Fragebogen kopiert, bevor er ihn am zweiten Tag der Geschworenenauswahl abgeliefert hatte. Es war ein ähnlicher Fall gewesen, aber mit einer anderen Witwe und einem anderen Tabakkonzern, und obwohl an die hundert Anwälte beteiligt gewesen waren, trat keiner von ihnen auch hier in Erscheinung. Nur Fitch war derselbe geblieben.
    Nicholas/David hatte damals die ersten beiden Ausscheidungen überstanden, war aber noch vier Re ihen entfernt gewesen, als man sich bereits über die Auswahl der Geschworenen geeinigt hatte. Einen Monat später rasierte er sich den Bart ab, entledigte sich der falschen Hornbrille und verließ die Stadt.
    Der Klapptisch vibrierte leicht, als er schrieb. Dies war sein Eßzimmer - der Tisch und drei nicht zusammenpassende Stühle. Der kleine Wohnraum rechts von ihm war mit einem klapprigen Schaukelstuhl, einem auf einer Holzkiste stehenden Fernseher und einem staubigen Sofa möbliert, das er für fünfzehn Dollar auf einem Flohmarkt gekauft hatte. Er hätte es sich vermutlich leisten können, ein paar bessere Möbelstücke zu mieten, aber Mieten war mit Formularen verbunden und hinterließ eine Spur. Da draußen liefen Leute herum, die praktisch seine Mülltonne durchwühlten, um herauszufinden, wer er war.
    Er dachte an die Blondine und fragte sich, wo sie wohl heute aufkreuzen würde, vermutlich mit einer Zigarette in der Hand und begierig, ihn in ein weiteres banales Geplauder über das Rauchen zu verwickeln. Der Gedanke, sie anzurufen, war ihm überhaupt nicht gekommen, aber die Frage, für welche Seite sie arbeitete, war recht interessant. Wahrscheinlich für die Tabakkonzerne, weil sie genau der Typ war, den Fitch gern als Agentin einsetzte.
    Nicholas wußte aus seinem Jurastudium, daß es im höchsten Grade unethisch war, wenn die Blondine oder irgendein anderer Mietling direkten Kontakt mit einem potentiellen Geschworenen aufnahm. Er wußte außerdem, daß Fitch über genügend Geld verfügte, um die Blondine spurlos von hier verschwinden zu lassen, nur um sie beim nächsten Prozeß als Rothaarige mit einer anderen Lebensgeschichte und einem Interesse für Gartenbau wieder auftauchen zu lassen. Manche Dinge ließen sich einfach nicht belegen.
    Das Schlafzimmer wurde fast vollständig von einer großen Matratze ausgefüllt, die ohne Untergestell auf dem Boden lag, eine weitere Erwerbung vom Flohmarkt. Eine Reihe von Pappkartons diente als Kommode. Der Fußboden war mit Kleidungsstücken übersät.
    Es war ein provisorisches Zuhause, ganz so wie eine Bleibe, die man vielleicht ein oder zwei Monate benutzte, bevor man mitten in der Nacht die Stadt verließ; was genau das war, was er vorhatte. Er wohnte

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