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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ihren Sohn getötet hat.«
    »Das stimmt.«
    Dies war keine Frage, aber Powell erhob keinen Einspruch, und Villars sagte nichts, also atmete Hardy tief durch und machte weiter. »Herr Dr. Lightner, hat Jennifer Ihnen etwas von irgendwelchen Entscheidungen gesagt, die sie vor dem 28. Dezember getroffen hatte?«
    »Ja. Sie wollte ihren Mann verlassen. Sie rief mich am Weihnachtsabend an.«
    »Als Freund, nicht als Psychiater?«
    »Ja.«
    Hardy machte sich daran, ihn langsam, aber in einem stetigen Rhythmus durch die Ereignisse zu geleiten. Die Tatsache, daß Larry gedroht hatte, sie umzubringen, falls sie fortging. Die Pistole am Bett. Die zunehmende Spannung in der Familie. Er mußte zusehen, daß die Geschichte flüssig blieb, indem er jeweils von Vermutung zu Tatsache wechselte, langsam vorwärts drängte - Einzelheiten, Einzelheiten -, bis sie beim Montag morgen angelangt waren.
    »Nun, Dr. Lightner, Jennifer hat Ihnen gegenüber nie zugegeben, daß sie Larry oder Matt erschossen hat. Richtig?«
    »Ja. Richtig.«
    »Trotzdem, auf der Grundlage Ihrer Ausbildung und Ihrer Erfahrung und Ihrer Beobachtung dieses Prozesses, haben Sie sich eine Meinung gebildet, was Mrs. Witts Geisteszustand zum Zeitpunkt der Schüsse angeht?«
    » Ja, das habe ich.«
    »Nebenbei bemerkt, Herr Doktor, alle Informationen, die Sie über diesen Fall wissen, haben Sie entweder von Mrs. Witt oder im Verlauf des Prozesses erhalten.«
    »Das ist richtig.«
    »Niemand hat Ihnen irgendwelche Polizeiberichte, Fotografien oder sonstige Informationen außerhalb des Gerichtssaals zur Verfügung gestellt?«
    »Das ist zutreffend.«
    »Dann schildern Sie uns doch bitte Ihre Meinung als Fachmann zum Geisteszustand von Mrs. Witt, Herr Doktor.«
    »Letztlich befand sie sich in einem Zustand der Panik infolge des BWS. Ihr Mann hatte sie wiederholt geschlagen. Sie hatten sich soeben gestritten. Er lief ihr nach, hoch ins obere Stockwerk. Sie hatte schreckliche Angst...«
    Hardy nahm das Tempo auf, behielt den Rhythmus bei, bereitete die Bühne vor, zog Lightner mit sich mit. Larry lief nach oben ...
    »Und was hat sie dann gemacht?«
    »Sie schnappte sich die Pistole aus dem Kopfbrett«, sagte er.
    »Und was hat sie dann gemacht?«
    »Sie fuhr herum, und da stand Matt mit der Spielzeugpistole - dem neuen Weihnachtsgeschenk - in der Tür zum Bad ...«
    »Und dann?«
    »Matt. Larry, der schreiend auf sie zustürzt. Der einzelne Schuß aus nächster Nähe ...«
    Im Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill. Vielleicht zehn Sekunden verstrichen ohne ein Geräusch. »Nun, Dr. Lightner, wie Sie uns erzählt haben, streitet Mrs. Witt natürlich kategorisch und konsequent ab, daß sie mit diesen Morden irgend etwas zu tun hatte. Also ist dies Ihre eigene Rekonstruktion der Ereignisse?«
    »Ja, Sir, das ist richtig.«
    «Gänzlich?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    Hardy erwiderte nichts darauf, bis der Satz verdaut war, dann näherte er sich dem Zeugenstand. »Dr. Lightner«, sagte er, »woher wissen Sie von der Spielzeugpistole, die Matt in der Hand hielt?«
    Die Stille wuchs. Lightner war beim Vortrag seiner Erzählung ganz in den Bann der davon hochgespülten Emotionen geraten. Jetzt sackte er erschöpft ein wenig in sich zusammen. Schließlich machte er den Mund auf. »Wie bitte?«
    Hardy wiederholte die Frage. Woher wußte er von der Spielzeugpistole?
    Lightner blinzelte. »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Aber diese Situation, die Sie uns soeben geschildert haben. Jennifer hat sie Ihnen nicht so geschildert, oder?«
    Powell erhob sich. »Euer Ehren ...«
    Villars zögerte nicht. »Abgelehnt. Ich möchte, daß Dr. Lightner die Frage beantwortet.«
    »Dann muß ich es wohl in den Fotografien gesehen haben. Die Fotos hier in der Verhandlung.«
    »Jennifer hat Ihnen nichts davon erzählt? Zu mir hat sie gesagt, daß Matt keine Waffen besaß. Er durfte keine haben.«
    Powell erhob sich erneut. Villars schüttelte den Kopf.
    »Nein, das stimmt. Sie kann es nicht gewesen sein. Es muß wohl auf den Fotos gewesen sein.«
    Hardy nickte und ging zurück zum Tisch der Verteidigung und hob den dicken Umschlag auf, in dem alle Fotos vom Tat ort und aus der Gerichtsmedizin aufbewahrt lagen. »Ich möchte Sie bitten, sich alle diese Fotos anzusehen und mir die Spielzeugpistole zu zeigen, wenn Sie sie finden können.«
    Lightner nahm das Kuvert und blätterte langsam in den Fotos. Hardy stand über ihn gebeugt und wartete ab. Villars saß da wie eine Sphinx. Als er etwa die

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