Das verborgene Feuer
interessant ist das Mädchen sicher nicht.«
Schmunzelnd überging Giovanni die Bemerkung seines Freundes. »Ich dachte, du hörst meine Stimme gern.«
»Und du sagtest, sie sei interessant, nicht unwiderstehlich.«
»Bitte keine Unterstellungen.«
»Bist du also nicht auf spezielle Art ›interessiert‹ an ihr?«
Giovanni runzelte die Stirn und dachte wieder daran, wie Beatrice vorhin in seiner Bibliothek gestanden und seine Regale lächelnd und mit leuchtenden Augen überflogen hatte. Dann erinnerte er sich daran, wie ihr weicher Körper sich beim Sprung aus dem Aufzug an ihn geschmiegt hatte.
»Sie ist eine Studentin, eine Hilfskraft. Ein Kontakt, um es so zu formulieren.«
»Und du interessierst dich bekanntlich immer stark für deine Studentinnen, Hilfskräfte und Kontakte«, bemerkte sein Freund sarkastisch. »Denk daran, dass ich zur Beichte zur Verfügung stehe, falls es notwendig werden sollte.«
»Amüsant. Das behalte ich im Kopf.« Er wollte dringend das Thema wechseln. »Ich möchte dich wissen lassen, dass wir einen unerwarteten Kälteeinbruch haben und du womöglich einen Pullover brauchst.«
»Deine ›Kälteeinbrüche‹ sind mildes Frühlingswetter im Vergleich zu meinen Bergen. Ich packe meine grellsten Hawaiihemden ein.«
Er zuckte zusammen. »Bitte nicht.«
»Ich habe gerade ein neues Hemd bestellt und an deine Adresse schicken lassen. Mit vielen rosa Blumen drauf, die sich ordentlich mit meinen Haaren beißen.«
»Zu deinem Dämonenhaar passt Kirchenschwarz.«
»Das ist langweilig. Ich trage den Talar nur, wenn ich die heilige Messe zelebriere.«
»Hmm – und wie geht es deinem Orden?«
Carwyn lachte leise. »Der ist klein, aber gläubig – wie immer.«
Giovanni nippte an seinem Drink. »Ich bin froh, dass du länger bleibst. Es wird etwas passieren. Ich weiß nicht, was, aber es bewegen sich gerade viele Teile des Puzzles. Dieses Mädchen. Ihr Vater. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder meine Abwehr stärken soll.«
Stille breitete sich zwischen ihnen aus, bis der Waliser wieder anhob. »Hast du mit Tenzin gesprochen?«
Er schüttelte den Kopf, obwohl Carwyn das nicht sehen konnte. »Caspar hat mit Nima gesprochen … na ja, eine Mail hat er ihr geschrieben. Anscheinend sind sie in letzter Zeit beide still.«
»Nima ist es eigentlich nur, wenn sie meditiert.«
»Ich weiß.«
Wieder breitete sich Schweigen aus. »Tja, falls es etwas Wichtiges gibt –«
»Meldet sie sich.«
»Genau.«
Wieder schwiegen beide und sammelten ihre Gedanken.
»Ich freue mich darauf zu kommen – wenn auch nur, um Caspars Künste zu genießen. Er ist ein viel besserer Koch als Schwester Maggie.«
»Sag das lieber nicht zu laut. Wenn sie davon Wind bekommt, gibt es einen Monat nur Haferschleim.«
Carwyn lachte leise. »Die ist froh, mich für eine Weile los zu sein. Wenn ich weg bin, besucht sie die Familie ihrer Schwester in Kerry.«
»Wir freuen uns auf deinen Besuch, vor allem Doyle.«
»Und nach dieser schönen Versicherung lege ich auf. Ruf mich nur im Notfall noch mal an. Ich bin schließlich in zwei Wochen bei dir. Hast du eigentlich an das Match gedacht?«
»Natürlich. Es findet am Abend nach deiner Ankunft statt.«
»Großartig. Auf bald.«
»Bis demnächst.«
Giovanni legte auf und nahm die Ausdrucke zur Hand, die Caspar von seinen Mails vom Vortag gemacht hatte. Beim Durchsehen stellte er fest, dass Livias Leute in Rom sie noch immer hinhielten und sein Interessent für die Lincoln-Dokumente sich wieder aufspielte. Die ganze Angelegenheit langweilte ihn, und er fragte sich, ob er seinem unhöflichen menschlichen Kunden einfach den Vorschuss zurückzahlen und sich mit spannenderen Dingen befassen sollte.
Dann aber begriff er, dass er den Fall gut an Beatrice abgeben konnte – er würde sie sicher lange beschäftigen. Der Auftraggeber war ein Mensch, also blieb es praktisch folgenlos, wenn sie etwas übersah oder das Dokument nicht fand. Es wäre ein gutes Einstiegsprojekt für die hartnäckige Miss De Novo.
Fast hätte er die letzte Mail im Stapel übersehen. Sie war mysteriös und stammte sicher von einem Unsterblichen, da sie an die Adresse gerichtet war, die er nur Vampirkunden gab. Die Nachricht war kurz, und der Verfasser hatte einen offenkundig falschen Absender angegeben.
Sie sind bald da, und wo sie herkommen, gibt es noch mehr.
Bedienen Sie sich.
L
Er sah nach, an welchem Tag und zu welcher Stunde die Mail eingegangen war, starrte auf die Initiale am
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