Das verborgene Feuer
kaputt machst, mach ich dich kaputt«, keuchte Giovanni, da sein Freund ihn im Würgegriff hielt.
»Schon gut! Manchmal bist du echt zimperlich.« Carwyn wollte das Bein seines Freundes festhalten, doch das misslang. Er war noch nie schneller gewesen als Giovanni. Seine einzigen Vorteile waren breite Schultern, muskulöse Arme und das Moment der Überraschung, das er allerdings nicht hatte nutzen können.
Giovanni fuhr herum, befreite sich aus dem Würgegriff, schnellte rückwärts über Carwyns Kopf und sprang ihn von hinten an. In null Komma nichts lag der Waliser mit auf den Rücken gedrehtem Arm flach auf dem Bauch, und Giovannis langes Bein krümmte sein Knie in einem Winkel, der bei Sterblichen schlimme Verletzungen bewirkt hätte.
Giovanni beschloss, ihm sicherheitshalber einen argen Schrecken einzujagen. Carwyn fauchte, als er das scharfe Knistern durch seinen Körper laufen spürte.
»Mann, Sparky!«, kreischte er. »Das ist nicht fair.«
»Ergibst du dich?«
»Natürlich, du blöder Italiener. Ich ergebe mich. Jetzt lass mich aufstehen.«
Giovanni erhob sich grinsend und streckte seinem alten Freund die Hand hin. Der sah ihn finster an und packte fester zu als nötig. Dann holte er die Vase vom Sofa.
»Siehst du? Nicht ein Kratzer. Ich war nämlich ein hervorragender Bogenschütze.« Er bewegte einen Arm, als würde er einen Pfeil spannen, zielte auf Giovanni und kniff dabei eins seiner hellblauen Augen zu. »Und wurde in der Blüte meiner Jahre in einen Vampir verwandelt.«
»Bogenschießen bedeutet nicht, vietnamesische Keramik unbeschädigt durch die Gegend werfen zu können, du Schwachkopf.« Mit finsterer Miene putzte Giovanni die Vase ab und stellte sie wieder an ihren Platz. »Und wo ist dein Hund? Ich hoffe sehr, dass er nichts ausgräbt.«
Carwyn zuckte die breiten Schultern. »Das tut er bestimmt. Also, wo ist das junge Blut?«
Giovanni wies mit dem Kopf die Treppe hinauf.
Carwyn blickte die Stufen hoch und sah Caspar vom oberen Absatz amüsiert zuschauen. Hinter ihm spähte Beatrice hervor und musterte mit dunklen Augen das eindeutig unsterbliche Wesen, das nun die Stufen hinauf nahm.
Der neu angelangte Vampir wäre beinahe über den Treppenabsatz gestolpert. Sein kastanienbraunes Haar war zerzaust, und ein Funkeln trat ihm in die Augen, als er Beatrice ansah, die sich noch immer hinter Caspar versteckt hielt.
»Na los, Cas – sag ihr, dass ich nicht beiße.« Carwyn zwinkerte ihr grinsend zu. Beatrice trat hinter Caspar vor, um Giovannis Freund genauer in Augenschein zu nehmen.
Carwyn streckte ihr die Rechte entgegen. »Father Carwyn von Bryn, meine Liebe.«
Beatrice schlug vorsichtig ein, und ihre kleine Hand wirkte in der Pranke dieses Hünen zwergenhaft. »Father?«, fragte sie skeptisch.
Er zwinkerte ihr erneut zu und verbeugte sich, um ihr einen Kuss auf die zarte Rechte zu drücken. »Allerdings.« Dann drehte er ihre Hand herum und beschnüffelte ihr Handgelenk. »Kein Wunder, dass du sie einstellen wolltest, Gio.« Er hob fröhlich eine Braue. »Sie riecht köstlich.«
Giovanni, der die Treppe heraufkam, sah Beatrice kurz nach Luft schnappen. Caspar lachte leise und wollte Carwyn Richtung Bibliothek bugsieren. Beatrice blieb an ihrem Platz; sie war knallrot vor Verlegenheit, und der Waliser hielt ihre Hand noch immer fest.
»Lass los, alter Mann«, brummte Giovanni in einer Tonlage, die nur Unsterbliche vernahmen.
Carwyn knurrte etwas und warf ihm einen Blick zu, gab Beatrices Hand aber frei und ging mit Caspar in die Bibliothek. Giovanni beobachtete Beatrices Reaktion. Ihr Herz raste, doch die Luft roch nicht nach Adrenalin – also hatte sie keine Angst. Dennoch näherte er sich ihr behutsam.
»Er ist wirklich harmlos. Viel harmloser als ich.«
Sie sah ihn mit erhobener Braue an. »Tatsächlich? Erzählen Sie das Ihrer Vase.«
Er lachte leise, legte ihr – da er nun sicher sein konnte, dass sie guter Laune war – die Hand auf den Rücken und geleitete sie in die Bibliothek, wo Caspar aus einer Karaffe Whisky einschenkte und Doyle den groß gewachsenen Waliser anfauchte, weil er ihn von seinem Lieblingsstuhl vertrieb.
»Es regnet, Gio. Dabei bin ich gekommen, um dem Regen zu entgehen, verflixt. Davon hab ich zu Hause mehr als genug.«
Giovanni war neugierig, ob einer seiner ältesten Freunde Beatrice gefallen würde. Obwohl Carwyn Priester war, trug er selten einen Talar und kleidete sich, wenn er die Vereinigten Staaten besuchte, lieber wie ein Surfer als
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