Das verborgene Feuer
ein Geistlicher.
Er zog seinen tropfnassen Mantel aus, hängte ihn über die Stuhllehne und brachte ein grelles Hemd zum Vorschein, auf dessen Rücken nahezu unbekleidete Hula-Mädchen tanzten. Als er Beatrices Blick sah, lächelte er nur, setzte sich und griff nach dem Glas, das Caspar ihm hinhielt.
»Danke, Cas. Wir sind nicht verpflichtet, Schwarz zu tragen, wissen Sie.« Er wies mit dem Kopf auf Giovanni, der Beatrice zu dem kleinen Sofa am Feuer geführt hatte und sich neben ihr niederließ. »Der da trägt Schwarz, weil er denkt, dass er darin umwerfend aussieht – oder er ist tatsächlich so langweilig. Das habe ich noch nicht herausgefunden.«
»Ich plädiere für langweilig«, witzelte Caspar. »Gott allein weiß, wie sehr ich mich bemüht habe, ihn aus seiner Schale herauszulocken.«
»Tja«, meinte Carwyn achselzuckend. »Sieh dir das Mädchen an, Cas. Vielleicht hat er seine Partnerin ja in der Abteilung für Trauerkleidung getroffen.«
»Danke«, warf Beatrice mit hoher Stimme ein.
Er zwinkerte ihr zu. »Große Stiefel tragen Sie da, meine Liebe. Fahren Sie Motorrad? Wenn nicht – würden Sie gern Motorrad fahren?«
Giovanni drückte sich ins Sofa und legte wie beiläufig den Arm hinter Beatrice auf die Lehne, weil er in Gegenwart eines anderen Vampirs instinktiv sein Revier verteidigte – auch wenn es sich um seinen alten Freund handelte, dem er vertraute.
»Du bist früh dran, Father. Alles fit in Wales?«, fragte er lässig.
Das harte Glitzern im Blick des Walisers verriet ihm, dass sie ein privateres Gespräch führen würden, sobald die Menschen verschwunden waren, und Anspannung setzte das Blut in seinen Adern in Bewegung. Intuitiv rückte er näher an Beatrice heran, die einer von Carwyn begonnenen Geschichte zuhörte, in der es um eine ihrer skandalösen Heldentaten in einem London der späten Sechzigerjahre ging, als Caspar noch viel jünger gewesen war.
Die drei Freunde brachten das Mädchen reihum mit ihren wilden Geschichten und schlagfertigen Sticheleien zum Lachen, und Giovanni zog eine seltsame Freude daraus, wie Beatrice sich jedes Mal amüsierte, wenn Caspar oder Carwyn eine Geschichte zum Besten gaben, die sich für ihn als peinlich erwies. Dann zuckte er nur die Achseln und nahm einen weiteren Schluck Whisky.
Nach einigen Stunden merkte er, dass Beatrice langsam die Augen schwer wurden und sie sich immer enger an die Seitenlehne des kleinen Sofas lehnte. Er bezwang den Wunsch, ihr mit der Hand durchs Haar zu streichen. »Caspar«, sagte er leise, »fährst du Beatrice bitte nach Hause?«
Sie setzte sich auf, als erstaunte sie diese Bitte, sah auf die Uhr und begriff nicht, dass sie stehen geblieben war, weil sie an seinem Bein gelehnt hatte.
Beatrice schüttelte ihre Uhr kurz und funkelte ihn dann verärgert an.
Er zuckte die Achseln. »Ich kaufe Ihnen morgen eine neue.«
»Und ob. Ich würde gern nach Hause gebracht werden, Cas – es ist sicher schon spät.«
»Ich fahre Sie mit Vergnügen. Sollen die beiden Alten sich ruhig ohne uns über die neuesten Entwicklungen ihrer geheimen Vampirgeschäfte unterhalten.«
Sie kicherte und ahnte nicht, wie zutreffend diese Bemerkung war. »Ich bin erstaunt, dass meine Großmutter noch nicht angerufen hat.« Gähnend stand sie auf, streckte sich und gönnte Giovanni dabei einen kurzen Blick auf die glatte Haut ihrer Taille. Er rückte ein wenig beiseite und schaute weg, als sie über seine langen Beine stieg.
Sie nahm ihre Taschen von dem Tisch, an dem sie zu arbeiten pflegte, und folgte Caspar aus der Bibliothek.
»Gute Nacht Ihnen beiden. Gio, wir sehen uns am Mittwoch. Carwyn«, sie lächelte, »sehr anregend, Sie kennengelernt zu haben.«
»Ganz meinerseits, B. Ich sehe Sie sicher bald wieder.« Der Waliser streckte die langen Beine aus und verjagte die Katze, während sie zuhörten, wie Caspar und Beatrice die Treppe hinabstiegen. Erst als die Küchentür zuschlug, wandte Carwyn sich Giovanni mit grimmiger Miene zu.
»Hast du in letzter Zeit von deinem Sohn gehört?«
8
Houston, Texas
Dezember 2003
Beatrice und Charlotte betrachteten die Briefe, die Dr. Christiansen wie ein stolzer Vater auf einem Tisch des Sonderlesesaals ausbreitete.
»Dies könnte der Beginn einer sehr vielversprechenden Sammlung sein, meine Damen.«
»Ich muss gestehen: Obwohl sie thematisch nicht zu unseren Beständen passen, sind sie sehr beeindruckend«, raunte Charlotte beim Durchsehen der alten Handschriften.
»Wie alt sind die Briefe
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