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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Eingeweide sich zusammenkrampfen.
    Da stand sie im Dunkeln an die Anrichte gedrückt und konnte nirgends mehr hin, außer nach draußen. Aber drau ßen warteten der Sturm, die Klippen und das Meer. Sie starrte durch das Fenster hinaus in eine Nacht, die so schwarz war wie Élodies Herz. Schwache weiße Streifen aufgepeitschten Wassers waren zu sehen, obwohl Regenwolken Mond und Sterne verbargen. Scheinwerferkegel durchstachen die Dunkelheit, glitten hinab zur Southern Farm. Im Haus ging Licht an, und bald darauf sah sie den Wagen wieder wegfahren. Es waren Menschen in der Nähe, Leben, doch das war eine andere Welt, in die sie nicht gehörte. Fremde woll ten immer weiter eindringen, als man sie hereingebeten hatte. Sie wollten alles sehen, alles wissen, sich in jede Ecke ausbreiten wie Gestank. Wie Zach, der Erinnerungen an Charles mit sich gebracht hatte. Sie hatte alles riskiert, um sie eine Weile zu genießen, doch diese Welt war nicht mehr ihre Welt. Sie hatte sie vor langer Zeit verlassen und ihr Gefängnis selbst gewählt – The Watch. Doch sehr lange war dieses Gefängnis eine Zuflucht gewesen. Ein Haus voller Liebe, sobald Valentina es erst verlassen hatte. Du bist so dumm, Dimity!, sagte Élodie, die das Trommeln des Regens am Fenster als Stimme benutzte. Ich war es nicht, wiederholte Dimity stumm. Ein halb vergessenes Lied kroch ihr in die Kehle, es kam aus einer Zeit und aus einem Land em por, die ein ganzes Leben zurücklagen. Ein Lied, das sie nicht verstand, noch nie verstanden hatte, und dessen Melodie so schwer zu fassen war wie heißer Wüstenwind. Allahu akbar … Allahu akbar … Dieser Wachtraum ließ sie die ganze Nacht hindurch nicht mehr los.
    Zach machte sich langsam auf den Weg zu Dimity Hatcher. Seit seinem Besuch bei Annie Langton tat er alles lang sam – fahren, essen, denken –, weil alles erdrückt wurde von dem, was er jetzt wusste: dass es Hannah war, die diese Bilder von Dennis verkauft hatte. Dass sie die ganze Zeit genau Bescheid gewusst und ihn belogen hatte. Er dachte an ihre Schafbilder, die er in dem kleinen, kargen Hofladen gesehen hatte. Sie waren gut, aber nicht einmal annähernd mit den Dennis-Porträts vergleichbar. War sie tatsächlich gut genug, dass eine Zeichnung von ihr als Aubrey durchge hen könnte? Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Aber was dann? Woher bekam sie sie? Mit einem flauen Gefühl im Magen dachte er an James Horne, an das Boot, das Hannah beobachtet hatte, und daran, wie genau sie die Küste hier kannte. Er erinnerte sich, wie Hannah am selben Tag James Bargeld gegeben und ihre offene Rechnung bei Pete Murray beglichen hatte, und ihm kam ein Gedanke. Er zückte sein Handy, sah nach dem Datum und blieb dann stehen, denn wenn er weiter in Richtung Küste hinabging, würde er gar keinen Empfang mehr haben. Die Versteigerung bei Christie’s war vor vier Tagen gewesen. Er schrieb Paul Gibbons eine SMS .
    Ist Dennis verkauft? Würdest du mir sagen, für wie viel? Bezahlung schon reibungslos abgewickelt? Er setzte sich auf eine Bank mit Aussicht über die Klippen, wartete ungeduldig auf Antwort und lauschte derweil seinen Gedanken, die rauschten wie die fernen Wellen. Zehn Minuten später piepste sein Handy. Dein Interesse macht mich neugierig. Ja, verkauft für sechseinhalb. Käufer in Wales, Zahlung abgewickelt. Paul. Sechstausendfünfhundert Pfund. Zach wollte wütend auf Hannah sein, weil sie ihn zum Narren gehalten hatte. Stattdessen fühlte er sich betrogen. Er hatte geglaubt, sie zu kennen. Er hatte sich in sie verliebt. Jetzt war auf einmal alles anders, und das traf ihn zutiefst.
    Dimity Hatcher jedoch war anscheinend zu abgelenkt, um seinen Kummer zu bemerken. Sie war so aufgeregt, dass er den Tee wieder selbst kochte, während sie auf und ab ging, sich setzte und wieder aufstand. Ihre knochigen Ellbogen ruderten, weil ihre Finger rastlos herumfummelten, Schmutz unter ihren Fingernägeln herauskratzten, an den Nagelbetten zupften, kratzten. Schließlich konnte Zach ihre Unruhe nicht länger ignorieren, obwohl er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war.
    »Dimity, fehlt Ihnen etwas? Was ist los? Sie wirken heute so nervös.«
    »Nervös? Mag sein«, brummte sie. »Sehen Sie mal nach dem Zauber im Kamin, ja?«
    »Wie bitte?«
    »Der Zauber, den Sie für mich aufgehängt haben … Ich kann ihn nicht überprüfen. Ich komme nicht dran – Sie ha ben ihn doch aufgehängt. Vergewissern Sie sich, dass er noch da ist, dass er noch ganz ist«, flehte

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