Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
erklärte sie. Sie hatten das andere Ende des Strandes erreicht, und Hannah blieb stehen. Sie holte tief Luft und zog sich dann mit einer geschickten Bewegung das Shirt über den Kopf. Zach wandte taktvoll den Blick ab, doch nicht ehe er die blassen Som mersprossen bemerkt hatte, die ihr Dekolleté bis hinab zu den Brüsten sprenkelten. »Und, willst du vielleicht komplett angezogen schwimmen gehen?« Sie wandte sich im Bikini zu ihm um, die Hände auf die Hüften gestemmt. Zach kam sich eigenartig voyeuristisch vor – es erschien ihm seltsam, dass er sie so sehen durfte, draußen unter freiem Himmel, während es zudringlich gewesen wäre, sie irgendwo drinnen in Unterwäsche zu sehen. Er zog seinen Pulli aus und ließ die Jeans herabgleiten. Hannahs prüfender Blick wanderte von seinen weißen Füßen bis zu seinen Schultern empor, so schamlos und offen, dass er beinahe errötet wäre. »Wer zuletzt drin ist, hat verloren.« Sie lächelte flüchtig, drehte sich um und eilte geschickt über den Kies. Drei Schritte weiter stand sie schon knietief im Wasser, und sie warf sich nach vorn, tauchte unter einem Wellenkamm hindurch und schwamm los.
Zach folgte ihr und fluchte leise, als die See eiskalt seine Knöchel packte. Das Wasser schien ihn förmlich zu beißen, doch dann tauchte Hannah ganz in der Nähe wieder auf. Ihre Haut glänzte, und ihr Haar klebte so glatt am Kopf, dass sie ihn an eine Robbe erinnerte. Ihr Anblick drängte ihn vorwärts. Er holte tief Luft und warf sich ins Wasser. Jeder Muskel verkrampfte sich, als es über ihm zusammenschlug. Japsend tauchte er wieder auf.
» Himmelherrgott! Ist das kalt!« Doch schon während er sprach, ließ der Schock nach, und die Temperatur erschien ihm erträglicher. Er hörte auf, bibbernd um sich zu schlagen, und schwamm einen kleinen Kreis, bis er Hannah wieder entdeckte.
»Das war doch gar nicht so schlimm, oder?« Es war lange her, dass er zuletzt in einem heimischen Meer geschwommen war, so ganz anders als ein warmes Urlaubsmeer mit sandigem, glattem Grund und Wasser, das so klar war wie in einem Schwimmbecken. Keine lauernden Gefahren, nichts Verborgenes. Vorsichtig schob er die Füße unter sich, spürte Felsen und die ledrige Oberfläche von Seetang und dachte an Krabben und Seeigel und Dinge mit Stacheln und Tentakeln. Er riss die Füße wieder hoch und spähte nach unten, doch er konnte nur seine eigenen Beine als verschwommene helle Flecken erkennen, mehr nicht. »Schwimm ein Stück weiter raus. Da wird der Boden sandig. Siehst du die Stelle da drüben, wo sich die Wellen brechen? Die solltest du meiden. Da sind ein paar scharfkantige Felsen. Komm schon.« Hannah ließ sich auf dem Rücken treiben, während sie ihm diese Anweisungen erteilte, und Zach holte Luft, tauchte unter und trat kräftig mit den Beinen.
Eine Weile schwammen sie nebeneinander her, weg vom Strand, und der Rhythmus war beruhigend, fast schon meditativ. Hannah tauchte alle paar Schwimmzüge unter Wasser, und Zach beobachtete, wie ihr Haar ihr als Wolke hinab in das schwere Wasser folgte. Er schwamm weiter, und einmal tauchte sie zu dicht vor ihm wieder auf, blind vom Salz in ihren Augen. Sie stießen zusammen, und Hannah drehte sich hastig auf den Rücken, sodass ihr fester Oberkörper seinen berührte, ihre Haut über seine glitt – eine geschmeidige, flüchtige Liebkosung. »Will Ilir denn nicht mit dir schwimmen gehen?«, fragte Zach.
»Nein, der Feigling. Hat Angst vor den Strömungen.«
»Hier gibt es Strömungen?«
»Zu spät, um sich jetzt noch deswegen zu sorgen! Halt dich einfach an mich, dann passiert dir nichts. Noch haben wir keine Ebbe. Dass du aufs Meer hinausgetrieben wirst, ist wirklich relativ unwahrscheinlich.« Hannah lächelte, und Zach kam zu dem Schluss, dass sie ihn nur auf den Arm nehmen wollte. »Schau mal. Hier – wir können auf den Wellenbrecher klettern. Von da kann man wunderbar ins Wasser springen, in der Sonne liegen oder Touristen glauben lassen, man könnte übers Wasser laufen.« Vorsichtig zog sie sich hoch und stand dann an der Stelle, wo Zach sie schon gesehen hatte – auf einem flachen steinernen Damm etwa dreißig Zentimeter unter der Wasseroberfläche, der in die Bucht hinausragte. »Sogar bei Ebbe ist dieses Ende von Wasser bedeckt, und dahinter ist es tief genug für ein kleines Boot«, erklärte sie. »Bis vor zweihundert Jahren haben Schmuggler ihn ständig benutzt.«
»Was haben sie denn geschmuggelt?«
»Ach, alles Mögliche.
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