Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
Was ihr sät, werdet ihr ernten. Ich habe gehört, wie Mrs. Lamb das eines Abends vor dem Pub zu ihm gesagt hat, als er an ihr vorbeiging. Als wäre er die Ursache dafür, dass schlimme Dinge geschahen, weil er mich liebte. Als würde er Schuld und Strafe auf sich laden. Aber er war nicht mit Celeste verheiratet, verstehen Sie? Er hat ihr gegenüber kein Gelübde gebrochen, indem er mich geliebt hat.«
»Ich dachte immer, Charles Aubrey hätte sich nicht darum geschert, was die Leute über ihn sagten. Sonst schien er sich doch auch nichts daraus zu machen. Aus der Gesellschaft und ihren Konventionen, meine ich.« Bei seinen Worten runzelte Dimity die Stirn und blickte auf ihre Finger und die gespaltenen Spitzen ihres Haars hinab. Zach sah sie tief Luft holen, als wollte sie sich beruhigen.
»Nein. Er war ein wahrhaft freier Mann. Ließ sich nur von seinem Herzen leiten.«
»Und doch … Ich habe mich immer sehr über seine Entscheidung gewundert, zum Militär zu gehen«, sagte Zach. »Er war immerhin überzeugter Pazifist, und er war schließlich auch noch für andere verantwortlich. Es gab Menschen, die ihn brauchten – wie Sie und Delphine. Wissen Sie, weshalb er sich für die Front gemeldet hat? Hat er es Ihnen je erklärt?«
Dimity schien nicht recht zu wissen, was sie darauf antworten sollte, und obwohl es eine Weile so aussah, als würde sie etwas sagen, zog sich das Schweigen immer länger hin. Ihre Miene wurde ängstlich, beinahe verzweifelt.
»Er ist in den Krieg gezogen, weil …« Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Zach schwieg erschrocken. »Ich weiß nicht, warum! Ich habe es nie verstanden. Ich hätte alles dafür getan, ihn hierzubehalten, ganz gleich, was er verlangt hätte. Und alles, was ich getan habe, habe ich für ihn getan. Alles . Sogar … Sogar …« Sie schüttelte den Kopf. »Aber er war in London, als er sich freiwillig gemeldet hat. Er ist von London aus in den Krieg gezogen, nicht von hier aus, deshalb hatte ich keine Chance, ihn davon abzuhalten. Und … Ich habe es ihr nie gesagt!«
»Wem, Dimity?«
»Delphine! Ich habe ihr nie gesagt, dass es nicht ihre Schuld war!«
»Dass was nicht ihre Schuld war? Dimity, ich verstehe nicht, was … War Delphine daran schuld, dass er zur Armee ging?«
»Nein! Nein, das war …« Sie unterbrach sich und fing an zu weinen. Zach beugte sich vor und ergriff ihre Hände.
»Dimity, es tut mir leid, ich wollte wirklich nicht, dass Sie sich aufregen. Bitte verzeihen Sie mir.« Er drückte ihre Hände, um sie abzulenken, doch sie hielt den Kopf gesenkt, und Tränen rannen durch die Falten ihrer Wangen und sammelten sich am Kinn. Sie wiegte sich sacht vor und zurück und gab ein leises, klagendes Wimmern von sich – ein Laut von so abgrundtiefer Traurigkeit, dass Zach ihn kaum ertragen konnte. »Bitte weinen Sie nicht, Dimity. Bitte. Es tut mir leid. Hören Sie mich an. Ich habe nicht verstanden, was Sie mir über Delphine und den Krieg erzählt haben. Könnten Sie es mir erklären?« Allmählich verstummte Dimitys Schluchzen, und sie wurde still.
»Nein«, krächzte sie dann. »Schluss jetzt. Ich – kann nicht mehr reden. Ich kann nicht über seinen Tod reden. Und auch nicht über – über Delphine.« Sie wandte ihm das Gesicht zu, und es war von tiefen Emotionen gezeichnet. Nicht nur Trauer, erkannte er plötzlich. Verblüfft blinzelte er. Da war viel mehr als nur großer Kummer. Es sah tatsächlich so aus, als fühlte sie sich schuldig. »Bitte gehen Sie jetzt. Ich kann nicht mehr mit Ihnen sprechen.«
»Ja, wenn Sie möchten, gehe ich natürlich. Und wir werden nicht mehr über den Krieg reden, versprochen«, sagte Zach, obwohl er in diesem Moment ganz sicher war, dass Dimity viel mehr über die Geschehnisse in jenem letzten Sommer von Charles Aubreys Leben wusste, als sie ihm erzählen wollte. »Ich gehe dann jetzt, aber nur, wenn Ihnen wirklich nichts fehlt. Nächstes Mal werde ich Ihnen gar keine Fragen stellen. Ich werde stattdessen Ihre Fragen beantworten, wie wäre das? Sie können mich über meine Familie fragen, was Sie wollen, und ich werde Ihnen alles beantworten, so gut ich kann. Abgemacht?« Dimity wischte sich die Tränen vom Gesicht, verwundert, aber schon ein wenig ruhiger. Schließlich nickte sie, und Zach drückte noch einmal ihre Hände, ehe er aufstand, sich vorbeugte und sie zum Abschied auf die feuchte Wange küsste.
Draußen war es windig, und es duftete nach blühendem Ginster. Zach sog tief die Luft ein und
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