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Das verborgene Netz

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Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Lockvogel gewesen, um ihn ins Hotel zu bekommen? Aber dann stellte sich die Frage, warum sie ihn nicht zu zweit angegriffen hatten. Und warum die Schläge gegen die Zimmerwand unmittelbar vor dem Angriff? Ein Zeichen für Graf? Dann hätte sie die Schläge Louise gegenüber nicht erwähnt.
    Oder war doch alles nur Zufall, und sie verrannte sich wieder?
    Ein Geräusch riss sie aus den Gedanken – eine Haustür war zugezogen worden. Ein paar Meter über der Straße tauchte der gelbe Regenschirm auf. Esther Graf lief in raschem Tempo die Stufen herunter. Auf der Straße wandte sie sich hangaufwärts. Der Schirm leuchtete unter einer Straßenlaterne auf, der einzige Farbfleck in der Dunkelheit.
    Kurz darauf war er zwischen den Bäumen verschwunden.
    Louise langte nach dem Türgriff, dann entschied sie sich anders. Sie würde ihr nicht folgen. Esther Graf hatte ein Recht darauf, mit ihren Dämonen allein zu sein.
    Zu Hause die leeren Zimmer, die Stille und ein Gefühl der Lähmung. Plötzlich war auch der Druck in der Brust wieder da. Und ein vertrauter, verhasster Gedanke: Wie wär's mit einem Schlückchen?
    Hektisch suchte sie nach der Element-of-Crime- CD , die Ben ihr gebrannt hatte. Als sie schließlich lief, wurde es ein wenig besser.
    Sie griff zum Handy, wählte Eberhardt Rohwes Nummer. Nach dem fünften Freizeichen drang Kneipenlärm an ihr Ohr, Stimmen johlten durcheinander, laute Rockmusik malträtierte ihre Gehörgänge. Wenn Kriminaler Feierabend hatten …
    »Profis«, sagte sie, »du hattest recht.«
    Rohwe erwiderte nichts. Sie hörte eine quietschende Tür ins Schloss fallen, dann herrschte Stille.
    »Störe ich?«
    »Wie könntest du stören? Hab nur ein paar Bier verlötet.« Rohwes Stimme klang nach Zigaretten, Lachen, Trunkenheit. Vier Gläser, schätzte sie, vielleicht auch mehr. In einen Zweimetermann passte viel.
    »Ich war bei Esther Graf.«
    Er stieß ein Schnauben aus, das nach Lachen klang. Ein freundliches Geräusch.
    Sie erzählte von dem Besuch in Littenweiler. Das Kerkerwohnzimmer, ihr Eindruck, dass Graf mehr wusste, als sie sagte. Und: zwei Schläge gegen die Holzwand, Ebbe. Der hat sie gewarnt. Wovor? Vor Steinhoff?
    Rohwe blieb stumm, aber sie hatte das Gefühl, dass er zuhörte.
    »Ich brauche die Fotos der Techniker.«
    Ein Grunzen, weniger freundlich. »Hab ich verschmissen, müsst ich erst mal raussuchen.«
    »Haben sie die Wand fotografiert?«
    »Was denn für ’ne Wand?«
    »Die zwischen der 34 und der 35 .«
    »Ach so … Nein.«
    »Dann fahr du hin und mach ein Foto.«
    Er lachte ungläubig.
    »Wissen wir eigentlich, was Graf am Samstagabend gemacht hat? Ob sie das Hotel noch mal verlassen hat?«
    Rohwe stöhnte. »Mensch, bist du ein Blubberkopp … «
    »Sag schon, Ebbe.«
    Nein, erwiderte Rohwe und klang mit einem Mal nüchtern, das wüssten sie nicht, er habe sie nicht gefragt. »Ich versteh nicht, was du willst, Louise. Du gefährdest die Ermittlungen von Kollegen, wenn du weitermachst. Vielleicht bringst du Menschen in Gefahr. Ist dir das völlig egal?«
    Sie seufzte. Natürlich war es ihr nicht egal. Aber das ließ sich eben nicht so leicht abstellen, das Verbeißen. So war es nun einmal mit ihr, das wusste man in Freiburg, und in Berlin konnte man es sich seit 2003 auch denken. Die Umstände bedeuteten eine zu große Versuchung für eine, die sich gern verbiss. Steinhoff, der für den BND arbeitete; der BND , der Ermittlungen durch die Kripo nicht wollte; ein falscher Name, ein gefälschter Ausweis; der Versuch, die Anzeige zurückzuziehen. Das alles roch nach Manipulation, nach einer Intrige, die jemandem helfen und jemand anderem schaden würde. Musste sich die Kripo dabei zum Büttel des BND machen?
    Zugegeben, möglicherweise lag es auch nur an den leeren Zimmern und der Stille und dem Druck in ihrer Brust.
    »Ich geh jetzt wieder rein«, sagte Rohwe.
    »Kriege ich das Foto?«
    »Nur wenn du’s selbst machst.«
    »Mist.«
    »Kann dich diesmal leider nicht in Tegel abholen. Übrigens … « Die Tür quietschte, Stimmen und Musik brandeten auf. »Steinhoff war zwar mal für den BND unterwegs, aber der ist nicht an dem Fall dran.«
    »Wer dann?«
    »Der Verfassungsschutz.« Abrupt brach der Kneipenlärm ab, das aufgeregte Besetztzeichen erklang.
    Also nicht der Auslands-, sondern der Inlandsdienst, nicht Pullach, sondern Berlin oder Stuttgart – was die Palette der möglichen Hintergründe erweiterte. Rechts- und Linksextremismus, Islamismus, extremistische

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