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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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beweisen kann, ist er ein Kinderschänder.«
    Sie verdrehte die Augen. Wenn es um Kindesmissbrauch ging, ganz gleich in welcher Form, war Bermann für Argumente nicht zugänglich. Willert war vielleicht nur deshalb straffrei geblieben, weil die Tat nicht angezeigt worden war – sie ahnte, was dieser Umstand in Bermann auslöste und was das für die Vernehmung befürchten ließ.
    Sie klingelte.
    Als die Tür geöffnet wurde, fiel Sonnenlicht ins Treppenhaus. Geblendet kniff sie die Augen zusammen. Auf der Schwelle stand ein schmaler Mann, das Gesicht im Schatten.
    »Kriminalpolizei Freiburg«, sagte Bermann angespannt und trat vor. »Heinrich Willert?«
    Sekunden verstrichen. Dann nickte der Mann.
     
    Ein Raum von etwa zwanzig Quadratmetern mit Herd und Spüle, auf dem Boden eine Matratze mit Tagesdecke, vor dem einzigen Fenster ein Tisch mit drei Stühlen und einer Margerite aus Stoff in einer Plastikflasche, dazu eine winzige Nasszelle, an der sie beim Eintreten vorbeigekommen waren. Auf seine Weise schien Willert sich gegen die Verwahrlosung zu stemmen: Er trug Anzughose, weißes Hemd und Krawatte, wenn auch verknittert und nicht allzu sauber, und seine Haare waren gekämmt, wenn auch nicht frisch gewaschen.
    Willert, Mitte vierzig, hatte ihnen den Tisch überlassen und sich selbst auf die Matratze gesetzt. Die Füße standen dicht am Körper, die Arme waren um die Knie gelegt, das
Gesicht knochig und leblos, die Augen blickten starr. Für einen Moment sah Louise ein anderes winziges Zimmer vor sich – ein Bett, ein Tisch, ein halbleeres Regal im Stühlinger. Auch auf diesem Bett saß ein Mann, der keine Arbeit mehr hatte, allerdings aus anderen Gründen. Dann sah sie denselben Mann auf einem Bett in einem Hotelzimmer in Sarajewo sitzen. Er hielt ein Telefon in der Hand, die Freude war abgeklungen, das Lächeln wurde schmal, während er rätselte, was ihm die Frau am anderen Ende der Leitung mitteilen wollte. Nach einem Jahr kannte er sie noch nicht gut genug, um
zu verstehen
.
    Vielleicht, dachte sie, sollte man doch zusammenziehen. Das mit der Unabhängigkeit ließe sich bestimmt irgendwie regeln, und die Gegensätze Autonomiedrang und Verlustangst pendelten sich dann schon in einer erträglichen Mitte ein.
    Falls der Mann in Sarajewo noch wollte, nach diesem Telefonat. Zu viel Chaos hielt keiner aus.
    Bevor das Pendel wieder ins andere Extrem ausschlagen konnte, zwang sie ihre Gedanken zu Willert zurück.
    »Wenn’s nach mir ginge« sagte Bermann, »würden Sie nicht in diesem Luxusapartment sitzen, sondern in einer Zelle.«
    Willert erwiderte nichts. Sein Blick lag auf dem Tisch, seine Stirn war gerunzelt, er blinzelte jetzt hektisch.
    Schräg hinter ihm war eine Fotografie an die Wand gepinnt, die zwei strahlende blonde Jungs um die vierzehn und eine Frau zeigte.
    Auch Bermann hatte sie bemerkt. »Die Familie?« Er wies auf die Fotos. »Süße Jungs.«
    Keine Reaktion.
    »Verflucht«, sagte Louise.
    Bermann schnaubte durch die Nase, Willert sah sie erstaunt an. Dann glitt sein Blick über den Boden, blieb vor seinen Füßen hängen.
    »Schon klar«, sagte Louise, »Sie können nicht mit uns reden. Offiziell ist ja nichts passiert. Keine Kinderpornos auf Ihrem Rechner. Es hat nie eine polizeiliche Untersuchung gegeben, nur einen internen Deal. Also können Sie nicht mal sagen, dass Sie die Filme
nicht
heruntergeladen haben, weil Sie damit zugeben würden, dass es diesen Vorwurf gab, und wir dann ermitteln müssten.«
    Sie erhob sich, trat zu Willert, kniete sich zwei Meter von ihm entfernt auf den Boden. Hinter ihr knarzte ein Stuhl, schabte ein Fuß über den Boden. Bermann war in Habachtstellung gegangen.
    Willerts Augen krochen langsam an ihrem Körper nach oben. Sie war nicht sicher, ob er wahrnahm, was er sah.
    »Und weil Sie das nicht sagen können, können wir Sie nicht fragen, wer die Filme heruntergeladen haben soll, wenn nicht Sie, denn Sie waren zu den Download-Zeiten ja nachweislich an Ihrem Schreibtisch. Und Sie können nicht antworten, dass irgendjemand Ihren Computer manipuliert haben muss – jemand, der auf Kinderpornos steht, oder jemand, der es darauf angelegt hat, dass die Filme auf Ihrem Computer gefunden werden und Sie Schwierigkeiten bekommen. Wir können Sie nicht nach Feinden in der Firma fragen, und Sie können nicht sagen, dass Sie keine Feinde in der Firma hatten und dass Sie deswegen glauben, dass dieser Jemand Sie aus anderen Gründen in Schwierigkeiten bringen wollte,

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