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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Stock. Drei kleine runde Dachfenster, eines davon gekippt.
    Sie sah Bermann an.
    »Denk nicht mal dran«, sagte er.
    Sie zuckte die Achseln. Das war das Problem: Wenn der Chef dabei war, musste sie sich an die Regeln halten. Konnte sich nicht von einem Hausmeister oder Nachbarn einen Wohnungsschlüssel beschaffen. Oder ausprobieren, wie gut sie noch mit der Kreditkarte umzugehen wusste.
    Sie richtete den Blick wieder nach oben und sah für den Bruchteil einer Sekunde hinter dem mittleren Dachfenster einen Schatten, der zur Seite wich. »Er ist da, Rolf.«
    »Er macht nicht auf, also können wir nicht rein.«
    »Versuch’s noch mal.« Sie wandte die Augen nicht von dem Fenster, während Bermann erneut läutete.
    Schulz öffnete nicht, der Schatten tauchte nicht mehr auf.
    Verärgert trat sie zur Tür, legte den Finger auf die Klingel. Nichts. »Mist.«
    »Andrele ist heute Abend bei der Besprechung dabei, vielleicht bekommen wir einen Durchsuchungsbeschluss«, sagte Bermann und klopfte ihr sanft auf die Schulter.
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Nein«, bestätigte er.
    »Und wenn er abhaut?«
    »Er kann gehen, wohin er will. Wir haben absolut nichts gegen ihn in der Hand.«
    »Wir haben einen begründeten Verdacht.«
    »
Du
hast einen Verdacht.«
    »Willst du nicht irgendwo ein Bier trinken, Rolf?«
    »Zu früh.«
    »Eine Freundin besuchen?«
    »Schon wieder?« Bermann hakte die Daumen in die Hosentaschen und lächelte.
    »Verflucht.«
    Er lachte, und in seinen Augen lag für den Bruchteil einer Sekunde ein erschreckend hohes Maß an Zuneigung.
    Rolf Bermanns Abgründe hatten sich aufgetan.
    Dann wurde der Blick streng, die Brauen zogen sich zusammen, aus der Brust drang ein Knurren: »Wo wohnt der Pädophile?«
    »In Wittnau.«
    »Wir treffen uns vor dem Rathaus.«
     
    Sie war kaum fünf Minuten unterwegs, als Bermann anrief. Heinrich Willert lebte nicht mehr in Wittnau; wohin er gezogen war, hatten die Kollegen noch nicht herausgefunden, die Wegzugsgemeinde war gerade nicht erreichbar. Park irgendwo, leg dich auf die Rückbank, schlaf, ich melde mich wieder. Sie lauschte dem Echo seiner Stimme in ihrem Kopf, überlegte, ob er sie bewusst für eine Weile aus dem Spiel nehmen wollte, um ihr eine Pause zu verschaffen. Doch sie hatte keine Lust, nach Wittnau hinauszufahren, um das zu überprüfen. Stattdessen parkte sie am Straßenrand und griff erneut zum Handy.
    »Warten Sie«, sagte Mayerhöfer. Vivaldis »Frühling« erklang. Dann war sie wieder dran. Philipp Schulz hatte sich für den Rest des Tages krankgemeldet. Irgendetwas war ihm auf den Magen geschlagen.
    Nicht irgendetwas, dachte Louise missmutig. Irgend
wer
. Annette Mayerhöfers Überraschungsgast. Und jetzt saß Schulz hinter seinen Bullaugendachfenstern und kurierte das Magengrimmen aus, indem er das eine oder andere Telefonat führte und seinen Abgang in die Wege leitete, und sie konnte ihn nicht daran hindern, weil der Chef fand, dass kein begründeter Verdacht gegen ihn vorliege.
    Fluchend drehte sie die Sitzlehne bis zum Anschlag nach hinten. Noch bevor sie die Augen ganz geschlossen hatte, war sie eingeschlafen.

13
    HEINRICH WILLERT LEBTE seit Oktober in der Belfortstraße nahe dem Hauptbahnhof. Ein Abstieg im Rekordtempo – noch im August hatte seine Frau die Scheidung eingereicht und war mit den beiden Söhnen aus dem Eigenheim in Wittnau ausgezogen. Das Haus stand mittlerweile zum Verkauf, die beiden letzten Kreditraten waren nicht mehr bezahlt worden. Einen neuen Job hatte Willert noch nicht.
    Er wohnte im ersten Stock eines alten, nicht sanierten Hauses. Dunkelbraune Fassade, bröckelnder Putz, Graffiti, und an der Klingeltafel fast nur Zettel mit handgeschriebenen Namen. Die Haustür schloss nicht, Louise drückte sie auf. Die Beleuchtung sprang nicht an, die Fenster waren verschmutzt und ließen kaum Tageslicht durch. Im Halbdunkel stiegen Bermann und sie knarzende, glatte Stufen empor. Bermann fluchte ununterbrochen – einmal stolperte er, einmal rutschte er von einer Kante ab. Louise stöhnte auf. Der Krach heizte das Summen in ihrem Kopf an und brachte den Quader in schmerzhafte Schwingungen.
    Im ersten Stock roch es nach Müll und Feuchtigkeit, von weiter oben waren Fernseherstimmen und Reggae zu hören.
    16 Uhr 10 , sie hatte eine Stunde geschlafen und fühlte sich beinahe ausgeruht.
    »Kein Pardon«, knurrte Bermann.
    »Was?«
    »Er ist ein Kinderschänder.«
    »Und wenn ihn jemand reingelegt hat?«
    »Solange er das nicht

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