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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Streifen zwingen, in Deckung zu bleiben.
    Sie sah Mike an, der auf einem Stuhl am Esstisch wartete. Im matten Licht der Straßenleuchte schimmerte sein Gesicht. Eine Hand lag auf dem Tisch, die andere im Schoß, er hatte sich, seit er sich vor zehn Minuten gesetzt hatte, nicht bewegt. Sie spürte, dass er sich unwohl fühlte. Wie Gerhard Kleinert, der Mitgründer von GoSolar, schien er
urplötzlich in eine Welt gefallen zu sein, die ihm fremd und unheimlich war. Eine Wohnung, ein Zuhause. Chaos auf dem Boden, eine Frau auf einem Sofa.
    »Woher wussten Sie, dass Ihre Maulwürfe aufgeflogen sind?«
    »Von Steinhoff.«
    »Und woher wusste er es?«
    »Keine Ahnung.«
    » Was hat er zu Ihnen gesagt?«
    »Dass Sie die Namen kennen und dass die Operation beendet werden muss.«
    Louise räusperte sich. In ihrem Nacken setzte ein leichtes Kribbeln ein, das sich über Schultern und Arme fortsetzte. Sie war dicht dran.
    Aber Schritt für Schritt.
    »Welche Namen?«
    »Die von unseren Leuten.«
    » Was genau hat er gesagt?«
    Mike fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Dass Sie die Namen kennen und dass die Operation beendet werden muss«, wiederholte er. Zum ersten Mal lag eine Spur von Ungeduld in seiner Stimme.
    »Hat er von einer Liste gesprochen?«
    »Nein.«
    Sie ließ sich zur Seite sinken, bettete den Kopf auf ein Kissen, zog die Beine an. Die Luft war kalt geworden, die Erschöpfung übermächtig. »Hat er Sie angerufen?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Am Nachmittag.«
    » Wann genau?«
    Mike antwortete nicht sofort. »Gegen zwei.«
    Sie gähnte. »Sehen Sie nach, Mike.«
    Aus halb geschlossenen Augen beobachtete sie, wie er sein Handy hervorzog und zu suchen begann.
    »Dreizehn Uhr neunundvierzig.«
    »Um dreizehn Uhr neunundvierzig hat Steinhoff Sie angerufen und gesagt, dass ich die Namen kenne?«
    »Ja.«
    Sie nickte zufrieden.
    Treffer.
    Fehlte nur noch der Beweis.
    Sie schloss die Augen ganz. »Eine letzte Bitte, Mike.«

20
    GERHARD KLEINERT SASS wie am Vortag an seinem Schreibtisch, und wie am Vortag wirkte er, als wäre er am Ende seiner Kräfte. Bleich, zittrig und zutiefst beunruhigt blickte er von einem Besucher zum nächsten und schien nicht zu begreifen, was geschah. Wie am Vortag gab er das von den Ereignissen überrollte Mitglied der Chefetage und erwies sich als schlechter Schauspieler.
    Anders als am Vortag standen nicht Louise und Rolf Bermann neben ihm, sondern Kripoleiter Reinhard Graeve – links – sowie Henning Ziller, Antje Harth und Michael Bredik vom Verfassungsschutz – rechts. Vor ihm hatte sich Marianne Andrele aufgebaut, die Staatsanwältin, deren knappe Fragen die Zusammenkunft bislang bestimmt hatten. Louise selbst hatte sich an den einzigen Platz zurückgezogen, von dem aus sie dieses Gespräch ertrug – die minimalistische Couch unter den Leibern auf Orange und Blau, fünf Meter von Ziller und sechs von Kleinert entfernt.
    Sie hatte von halb fünf bis sieben Uhr geschlafen, dann eiskalt geduscht, die Haare gewaschen und frische Kleidung angezogen, Bluse, Rock, Pumps, Blazer. Falls sie an diesem Morgen unterging, sollte das wenigstens in Eleganz geschehen.
    Halb zehn, und noch immer keine Nachricht von Mike. Sie spürte einen Anflug von Nervosität, nichts Dramatisches, nur ein kühler Hauch, tief in ihren Eingeweiden.
Selbst für Nervosität war sie zu erschöpft, obwohl sie beschlossen hatte, an diesem Morgen alles auf eine Karte zu setzen. Im Grunde war es ihr gleichgültig, ob sie unterging oder nicht. Nur hätte sie sich und Reinhard Graeve gern eine Blamage erspart.
    Sie wusste nicht, wann Mike ihre Wohnung verlassen hatte. Kurz bevor sie eingeschlafen war, hatte sie ihn noch am Esstisch sitzen gesehen. Als der Handywecker geklingelt hatte, war er fort gewesen.
    Eine letzte Bitte, Mike.
    Mal sehen, was ich tun kann.
    Ein Mensch wie Mike, dachte sie, konnte viel tun, wenn er wollte. Er konnte halbtot schlagen, er konnte Leben retten. Menschen heimlich ausspionieren, auf die Seite der Guten wechseln. Irgendwo dazwischen lag der Weg, den er von nun an gehen wollte. Vielleicht hatte er erkannt, dass sich dieser Weg besser gehen ließe, wenn er KHK Louise Bonì deren letzte Bitte erfüllte.
    Ja, sagte Kleinert gerade, er und der – auf einem Kongress in den USA weilende – Vorstandsvorsitzende hätten sich vor Monaten wegen des Verdachts auf Spionage durch ein ausländisches Unternehmen an den Verfassungsschutz gewandt. Ja, das Amt habe in Absprache mit ihnen begonnen, Informationen

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