Das verborgene Netz

Polizeidirektion.
    Wichtig war natürlich auch, dass Ben dann in der Nähe wäre. Dass in der Ferne Rolf Bermanns Stimme wieder durch die neonhellen Flure der Kripo hallte.
    Sie sah Mike an. »Wer hat Schulz und Steinhoff getötet?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wen decken Sie, Mike?«
    Er antwortete nicht.
    »An der Operation ist noch jemand beteiligt, richtig? Jemand, von dem ich nichts weiß.«
    »Nein.«
    »Und Ihr Geschäftspartner? Hat
er
die Morde begangen?«
    »Nein.«
    »Warum sind Sie so sicher?«
    »Weil ich ihn seit vielen Jahren kenne.«
    »Was nichts heißt.«
    »In diesem Fall schon.«
    »Wer kommt dann in Frage?«
    »Wir drehen uns im Kreis.«
    Louise warf die Hände in die Luft. Ein Rest Wut war geblieben, aber sie spürte, dass die Erschöpfung daran zu nagen begann. »Ich brauche einen Namen, verdammt. Eine Idee. Deswegen sind Sie doch hier, oder? Weil Sie mir helfen wollen, den Mörder zu finden.«
    Mike nickte bedächtig.
    »Fangen wir von vorn an. Steinhoff tritt an Sie oder Ihren Geschäftspartner heran. Was will er?«
    »Organisation, Manpower, Ausrüstung. Eine Strategie.«
    »Wie kommt er auf Sie?«
    »Er hat sich umgehört.«
    »In der Branche, aus der Sie rauswollen.«
    »Ja.«
    »Zusammen knüpfen Sie das Netz und legen es aus.«
    »Ja.« Mikes Blick glitt über das Ufer gegenüber. Erst jetzt bemerkte sie, dass seine rechte Hand in der geöffneten Jacke verschwunden war.
    »Die schlafen nachts, Mike.«
    » Wer?«
    »Die Kollegen vom Verfassungsschutz.«
    Über seine Lippen huschte ein überraschtes Lächeln.
    »Sie entwickeln also eine Strategie. Woher haben Sie Ihre Informationen über GoSolar? Sie müssen doch genau Bescheid wissen, wie Sie da reinkommen. Wo Sie Ihre Leute platzieren können.«
    »Das meiste kommt von Steinhoff, der Rest von uns.«
    »Durch Observierung?«
    »Zum Beispiel.«
    »Und woher hat Steinhoff seine Informationen?«
    »Er kennt Leute.«
    »Bei GoSolar?«
    Mike zögerte. »Vielleicht.«
    Sie lehnte sich zurück, faltete die Hände im Schoß, als könnte sie den vagen Gedanken auf diese Weise vor dem Chaos in ihrem Gehirn schützen, in dem Bilder, Wörter, Geräusche, Ereignisse durcheinanderwirbelten. »Er hatte von Anfang an jemanden in der Firma«, sagte sie. »Jemanden, dessen Identität nur er kannte.«
    »Und der ihn getötet hat, um nicht aufzufliegen?«
    »Was anderes fällt mir nicht ein.«
    »Zu viel Zufall.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Steinhoff bekommt den Auftrag aus Frankreich und hat zufällig schon jemanden bei GoSolar, der ihm hilft?«
    Louise antwortete nicht.
    »Er hätte uns informiert.« Mike wandte sich ihr zu. Das Risiko, dass der eine Maulwurf den anderen unabsichtlich in Gefahr brächte, nur weil sie nichts voneinander wussten, wäre zu groß gewesen. Abgesehen davon, dass sie sich viel Arbeit gespart hätten, wenn Steinhoff seinen Kontakt genannt hätte.
    »Und wenn es anders herum war? Wenn Steinhoff von jemandem bei GoSolar beauftragt worden ist? Wenn es gar keine Franzosen gibt?«
    »Mein Geschäftspartner war bei einem Treffen mit den Franzosen dabei.«
    »Sieh an. Mit welchen Franzosen?«
    Er lächelte schmal. »Solarfranzosen.«
    »Trotzdem«, sagte Louise. »In einem Netz sitzt eine Spinne.«
    »Manchmal drei – Steinhoff, mein Partner, ich.«
    Sie schüttelte den Kopf. Die drei hatten das Netz geknüpft, doch im Hintergrund agierte jemand, der für alle außer für Steinhoff unsichtbar geblieben war. Nicht
irgend
jemand, kein kleines Rädchen im Getriebe. Jemand, der zwei Morde begangen hatte, um sich zu schützen.
     
    Ein paar Minuten lang sprachen sie nicht. Wieder und wieder spielte Louise die Möglichkeiten durch. Steinhoff, die Franzosen, ein Kontakt bei GoSolar. Sie war davon überzeugt, dass die Antwort allein eine Frage der richtigen Chronologie war.
    Die Franzosen, der Kontakt, Steinhoff.
    Der Kontakt, Steinhoff, die Franzosen.
    »Sie wissen, worauf es hinausläuft«, sagte Mike.
    Sie sah ihn überrascht an. »Nein. Worauf?«
    »Wer außer uns ist noch involviert? Wer ist noch seit Monaten an GoSolar dran? Wer hat versucht, Ihre Ermittlungen zu behindern?«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Die begehen keine Morde, Mike. Das sind Kollegen, viele von denen waren bei der Kriminalpolizei. Die gehen nicht nach Stuttgart und werden zu Mördern und töten ihre eigenen Leute. Und wir sind keine Scheißbananenrepublik.«
    »Es gibt keine andere Erklärung.«
    »Es
muss
eine geben.« Louise hätte nicht