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Das verborgene Wort

Das verborgene Wort

Titel: Das verborgene Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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Abstimmen mit Bohnen Kyameno.<
    Peter seufzte, blätterte um und seufzte noch einmal, erleichtert. Ich hatte schon bei früheren Vorträgen bemerkt, daß er sich beeilte, von den Geschichten mit ihren schwierigen Namen und zweifelhaften Geschehnissen schnell wegzukommen, hin zu dem Sicht- und Faßbaren, zu Staubgefäßen, großen und kleinen Blütenblättern, Stengeln, Stempeln, Kelchen und Narben. Wenn er, wie jetzt, mit einem Schnitt seines Taschenmessers eine Bohnenschote teilte, mitten durch die Bohnenkerne, um mir den Querschnitt eines Samens zu erklären, war er in seinem Element. Seine Neigung galt dem, was sich beweisen ließ. Die Geschichten gefielen ihm nur, weil sie mir gefielen.
    Auf der Bank unterhalb des Rheindamms, die Blicke über Kappes und Kyamos schweifend, hub Peter an wie ein Rhapsode, der von gewaltigen Taten kündet: >Uralten, wie es scheint, aus Ägypten hergekommenen rituellen Anschauungen gemäß, galt die Bohne den klassischen Völkern wie das Schwein den Hebräern als eine unreine Nahrung, deren sich priesterliche und alle solche Personen, die sich einer besonderen Reinheit befleißigen wollten, gänzlich zu enthalten hätten. Nach einigen sollte der Traumwahrsager Amphiaraus< - ich notierte den Namen - >den Bohnengenuß verboten haben, weil er böse Träume mache, nach Pythagoras< - ob das derselbe war wie in Geometrie? -, >weil auf der Blüte traurige Zeichen, die schwarzen Flecke, stünden. Ein alter orphischer Vers< - Orpheus hatte ich inzwischen schon nachgeschlagen und kannte seine schaurige Geschichte - >lautete: Unglückliche, rührt keine Buffbohnen an! Und die Pythagoräer hielten sich sogar an das Sprichwort: Bohnen essen ist schlimmer als Mord- und Todtschlag.< Tot, unterbrach sich Peter kopfschüttelnd, mit dt. >Die Gründe für diese Achtung hat man in den blähenden und reizenden Wirkungen der Bohnennahrung, die aber allen Hülsenfrüchten gemein sind, zu suchen, obwohl andere Gründe dafür angegeben wurden, wie zum Beispiel, daß Bohnenmus dumm mache oder daß sich Bohnenbrei, einige Nächte dem Mond ausgesetzt, in Blut verwandle. Lucian<, notierte ich, >sage gar, daß die menschliche Seele bei ihrer Wanderung in Bohnen übergehe. Darum habe auch die umherirrende Ceres< - notiert - >ihren Wirten allerlei Hülsenfrüchte, aber keine Bohnen zum Dank für ihre Gastfreundschaft geschenkt. Gleich der Linse und Erbse galt somit auch die Bohne als Totenspeise, weshalb man bei dem großen Toten- und Gespenster-, dem Lemurenfeste zu Rom die Toten durch reichliche Opfer mit schwarzen Bohnen zu versöhnen und von den Häusern, die sie früher bewohnt hatten, zu bannen suchte. Mitten in der Nacht erhob sich der Altgläubige, nach Ovids ausführlicher Schilderung im Festkalender, aus seinem Bette, ging mit nackten Füßen zum Brunnen und füllte nach vollzogener Waschung den Mund mit schwarzen Bohnen.<
    Peter stand auf, stellte sich vor mich, schloß das Buch, schloß die Augen und sprach:
    Hinter sich wirft er sie dann, und >ich lasse sie frei aus den Händen<,
    Spricht er, >und kaufe damit mich und die Meinigen los<. Neunmal sagt er's und schaut nicht um; jetzt liest sie der Schatten,
    Neunmal rufet er erst: >zieht aus, ihr Manen der Väten<, Dann schaut er um, und rein glaubt er vollbracht den Gebrauch.
    Noch mal, sagte ich. Großartig.
    Wirklich? sagte Peter beglückt. Die Überraschung war ihm gelungen. Seine Mühe belohnt. So hatte der Bruder seine Gebete als Meßdiener aufsagen können, allein den Wortschällen folgend.
    Lau strich der Wind vom Rhein über uns hin. Peter hatte sich wieder neben mich gesetzt. Schauspieler verwandeln sich durch fremde Wörter in einen anderen. Peter brachten diese Sätze über Blumen und Pflanzen zu sich selbst. Aus dem linkischen Gärtnerburschen machten sie einen vor Begeisterung leuchtenden Menschen. Sobald er schwieg oder von anderem redete, fiel dieser Glanz von ihm ab wie die Rolle von einem Schauspieler, wenn er zum Applaus an die Rampe tritt.
    Schweigend gingen wir durchs Dorf zurück, Peter die Tasche fest vor der Brust. Wir sagten uns kaum gute Nacht.
    Für die Frauen bei Maternus ging ich op de Scholl, doch vor allem ging ich mit Peter Bender, einem echten Dondörper Jong, der jet an de Föß hatte, und das mit seiner Hände Arbeit. Peter Bender, das große Los. Abend für Abend sehe man uns in den Feldern und Wiesen am Rhein, drangen die Frauen in mich. Was wir denn da täten? Solang mer se noch süht, jüt et nix ze verzälle,

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