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Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Titel: Das verbotene Eden 01 - David & Juna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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werden. Und doch lag da etwas Verletzliches in ihrem Blick, etwas, das erst bei näherer Betrachtung zu erkennen war. Ob Romeo das auch gesehen hatte? Hatte er sich deswegen so hoffnungslos in sie verliebt? Wie sonst war zu erklären, dass er sich am Schluss, als die vermeintlich Tote vor ihm lag, das Leben nahm? Eine Welt ohne sie war für ihn nicht vorstellbar – für ihn, der sich jahrelang eingebildet hatte, die Liebe zu kennen. Bis er ihr tatsächlich begegnet war.
    »Soso, Liebeslyrik also. Ich habe mich schon gefragt, wonach du wohl in diesem Winkel der Bibliothek suchen magst.«
    David glaubte, sein Herz würde stehenbleiben. Die Stimme kam aus der Dunkelheit links von ihm. Eine hohe, schlanke Gestalt stand dort.
Der Abt!
    Als er mit halb geschlossenen Augen durch den Saal gegangen war, musste er direkt an ihm vorbeigekommen sein.
    Benedikt trat aus dem Halbschatten auf ihn zu. Er streckte die Hand aus und griff nach dem Buch.
    »Romeo und Julia, sieh an, sieh an.«
    »Ich dachte … ich wollte …«
    Benedikt unterbrach Davids Gestammel mit einem heiseren Räuspern. »Heiß heute, nicht wahr?«
    »Ja …«
    »Ich dachte, ich suche den Schatten der Bibliothek auf; hier ist es immer so herrlich kühl. Dann habe ich dich gesehen, wie du wie ein Blinder durch die Gänge gegangen bist, und bin dir gefolgt. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich wollte gerade eine kleine Pause machen …«
    »Und dir ein wenig Lektüre besorgen?« Benedikt warf ihm einen halb tadelnden, halb belustigten Blick zu. »Und ich dachte, du wolltest das nächste Buch restaurieren.«
    »Das … das wollte ich natürlich. Dieses hier. Es ist leider in keinem guten Zustand.«
    Der Abt ließ die Seiten durch die Finger gleiten. Das Buch war tadellos in Ordnung. Selbst ein Blinder konnte das sehen.
    »Ah ja. Du hast recht. Es bedarf dringend einer neuen Bindung, und auch der Rücken scheint krumm zu sein. Kümmere dich darum, schließlich ist es eines der wichtigsten Werke in der verbotenen Abteilung. Hast du es schon einmal gelesen?«
    »Ob ich …?« David verstummte. Sollte er lügen? Nein, entschied er. Besser, er blieb bei der Wahrheit. Benedikt spielte ein Spiel mit ihm, er wusste nur noch nicht, welches.
    »Ja, notgedrungen«, sagte er. »Die Bilder mussten einmal neu eingeleimt werden, dabei musste ich sie mit dem Text vergleichen. Es ließ sich nicht verhindern. Ich habe aber sofort danach gebeichtet«, fügte er hastig hinzu.
    »Das ist gut.« Benedikt nickte und fing an, mit sonorer Stimme zu sprechen:
    »Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost, und Julia die Sonne! Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!«
    David starrte den Abt an. »Ihr kennt das Werk?«
    Der alte Mann lächelte. »Was denkst du denn? Ich bin wohl bewandert in den Klassikern. Sie erinnern mich an eine Zeit, die weit, weit zurückliegt. Es muss Jahre her sein, seit ich es zuletzt in den Fingern hatte, aber manche Sachen vergisst man nicht.«
    David entspannte sich. Der Abt schien ihm aus dem Vorfall keinen Strick drehen zu wollen, so viel war sicher. Aber worüber sprachen sie hier eigentlich? David wurde das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckte als oberflächliche Plauderei.
    »Meister Stephan sagt, Ihr könnt Euch noch an die Zeit vor dem Zusammenbruch erinnern. Ist das wahr?«
    »Oh ja. Besser als an das, was in jüngerer Vergangenheit vorgefallen ist.« Die Augen des Abtes leuchteten. »Mit jedem Tag, den ich älter werde, treten die Erinnerungen deutlicher hervor.«
    »Erinnert Ihr Euch an die Hexen?«
    »Aber selbstverständlich. Ich war damals sogar mit einer zusammen. Ich war genau in deinem Alter und bis über beide Ohren in sie verliebt.« Sein Gesicht bekam einen eigentümlichen Ausdruck. Eine Mischung aus Wehmut und Zorn.
    »Ihr Name war Magda. Sie war das schönste Mädchen, das man sich vorstellen konnte. Eine Stimme so hell wie Glockenklang, eine Haut wie Samt, und ihre Haare dufteten nach frischem Heu.« Seine Stimme bekam einen rauhen Klang, und er stockte beim Sprechen. »Sie hat versucht, mich umzubringen. Hier.« Zu Davids größter Überraschung zog Benedikt seine Kutte zur Seite und präsentierte eine Narbe, die vom Bauchnabel bis zur linken Brustwarze reichte. Der Schnitt leuchtete unnatürlich weiß auf der braunen schrumpeligen Haut.
    »Das Messer war etwa zwanzig Zentimeter lang. Es hat das Herz nur um einen Fingerbreit verfehlt. Wäre mein bester Freund nicht

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