Das verbotene Eden 01 - David & Juna
zurück. Hinter den Scheiben des Krankenzimmers sah er das fahle Gesicht des Bibliothekars. Stephan hob die Hand und winkte ihm zum Abschied. David winkte zurück, dann startete er den Motor. In gleichförmigem Tempo verließ er den Hof und lenkte das Fahrzeug hinaus in die Wildnis.
15
J una betrat die große Ratshalle und blieb kurz hinter der Eingangstür stehen. Der Sitzungssaal maß etwa acht Meter in der Breite und fünfzehn in der Länge. Über ihren Köpfen wölbte sich ein tonnenartiges Dach, das mit Riedgras gedeckt war; durch seine schlitzartigen Öffnungen fielen Garben aus Sonnenlicht zu Boden. An den Wänden sah sie Statuen und Figurinen bekannter und verstorbener Persönlichkeiten sowie kleine Opferaltäre und Bildnisse für die Götter. Vasen mit Lavendelblüten und frischen Wiesenblumen vervollständigten das Bild. In einer Ecke des Raumes waren Dutzende von Stühlen übereinandergestapelt, auf denen Zuschauer Platz nehmen und an den Sitzungen teilnehmen konnten.
Jedoch nicht heute.
Die zwölf Ratsmitglieder saßen an Tischen, die hufeisenförmig in der Mitte des Raumes aufgestellt waren. Zentral in der Mitte die oberste Ratsherrin Noreia, daneben Junas Mutter und an den Seiten jeweils zu fünft die restlichen Ratsmitglieder. Ein Platz war frei. Er hatte Brianna gehört, der Anführerin der Brigantinnen. Dort, wo sie gesessen hatte, war der Stuhl mit einem schwarzen Tuch behängt. Auf dem Tisch lag eine weiße Rose.
Bis auf zwei Ausnahmen waren alle Frauen jenseits der fünfzig. Magdalena, die oberste Heilerin, war die älteste. Gwen hatte schon von ihr erzählt und gesagt, dass sie über achtzig sei und noch die Zeit vor der großen Dunkelheit erlebt habe. In ihrem Blick lagen Weisheit und Entschlossenheit.
Als Juna den Saal betrat, erstarben die Gespräche.
Noreia hob die Hand. »Tritt näher, mein Kind.«
Die oberste Ratsherrin war eine zierliche Frau von vielleicht sechzig Jahren, deren gutes Aussehen unter den Entbehrungen in der harten Zeit nach dem Zusammenbruch kaum gelitten hatte. Ihre grauen Haare waren mit Kornblumen hochgesteckt, die das strahlende Blau ihrer Augen betonten. Sie lächelte, als die junge Brigantin in den Kreis der Frauen trat. Juna warf einen kurzen Blick zu ihrer Mutter hinüber, doch deren Gesicht blieb regungslos. Versteinert.
»Du wunderst dich sicher, dass wir dich hergebeten haben«, sagte Noreia. »Es war nicht unsere Absicht, dir deinen wohlverdienten Ruhetag zu nehmen, insbesondere, da du immer noch verletzt bist und dir die Zeit der Erholung redlich verdient hättest. Wie geht es deinem Fuß?«
»Ich bin hier, also geht es ihm gut.«
Noreia lächelte. »Wie man dir vermutlich mitgeteilt hat, ist dies eine außerordentliche Sitzung, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Deshalb konnten wir dich nicht vorher informieren. So viel zu unserer Entschuldigung.« Sie ließ sich zurücksinken. »Ziel dieser Beratung ist es, eine Entscheidung zu fällen. Eine Entscheidung darüber, wie wir den Angriff auf Alcmona bewerten sollen.« Ihr Lächeln wurde schmaler und verschwand schließlich ganz.
»In den letzten drei Stunden haben wir alle Kämpferinnen befragt, die bei der Verteidigung des Dorfes zugegen waren. Wir haben ihre Aussagen notiert und sie untereinander verglichen. Die einzige, von der wir noch eine Stellungnahme benötigen, bist du.« Ihre Augen leuchteten wie zwei Saphire. Juna schaute kurz zu ihrer Mutter hinüber. Arkana hatte noch immer keine Miene verzogen. Sie schien durch sie hindurchzusehen, so als wäre sie aus Glas.
Juna hatte während der letzten Tage mehrfach versucht, mit ihr zu sprechen, doch es war ihr nicht gelungen, zu ihr vorgelassen zu werden. Angeblich wegen des Mittsommerfestes und der damit verbundenen Verpflichtungen. Vielleicht würde sie heute erfahren, warum Mutter ihr aus dem Weg ging.
»Möchtest du einen Stuhl?«
Juna schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Soll ich beginnen?«
»Gerne. Und zwar am besten am Anfang.«
Es dauerte etwa zehn Minuten, bis alles erzählt war. Angefangen mit der Einschwörung der Dorfbevölkerung auf den bevorstehenden Angriff über das Gespräch mit dem Anführer der Heiligen Lanze bis hin zu dem Moment, in dem sie Imogens Leichnam im Pferdetrog gefunden hatte. Juna ließ weder etwas aus, noch beschönigte sie es. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihre Handflächen feucht wurden. Als sie fertig war, spürte sie ein leichtes Zittern in den Knien.
Noreia wartete, bis die
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