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Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Titel: Das verbotene Eden 01 - David & Juna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Stirn.
    Streit?
    Tatsächlich, da war etwas gewesen. Nach und nach fiel ihm alles wieder ein. Der Mond hatte so hell geschienen, dass er nicht schlafen konnte. Er hatte sein Buch hervorgeholt und darin gelesen. Offenbar war ihm dabei völlig die Zeit abhandengekommen, dann auf einmal hatte er ein Geräusch gehört. Er hatte sich umgedreht und – da stand sie:
Julia.
Als wäre sie seinem Buch entstiegen. Als hätten Tusche und Farbe einen Körper geformt, den der Mond zum Leben erweckt hatte. Sie war in ein langes helles Kleid gehüllt, über das schulterlang ihre rotbraunen Haare fielen. Das kalte Licht hatte auf den Strähnen geschimmert und einen überirdischen Glanz erzeugt. Die Ähnlichkeit mit dem Bild in seinem Buch war verblüffend. Die gleichen feinen Brauen, die gleiche gerade Nase, die gleichen geschwungenen Lippen. Sogar das winzige Grübchen am Kinn war vorhanden. Sagte man nicht, ein Gesicht sei eine Landschaft? Wenn dem so war, so kannte David jeden Zentimeter davon. Er erinnerte sich, dass er vor Verblüffung kein Wort herausgebracht hatte. Wie konnten zwei Menschen, die durch so viele Jahrhunderte voneinander getrennt waren, die in unterschiedlichen Epochen und Ländern gelebt hatten, so eine Ähnlichkeit besitzen? Aber vielleicht war es gar keine reale Person, sondern ein Idealbild, geformt durch die Phantasie eines Künstlers? Und doch hatte sie dort gestanden, keine zwei Meter von ihm entfernt.
    Er erinnerte sich, dass Streit ausgebrochen war. Die Wache hatte etwas mitbekommen und war plötzlich vor dem Käfig aufgetaucht. Wie hatte sie die wundersame Erscheinung genannt?
Juna?
    Aber doch nicht die Juna, die ihn entführt und an ihr Pferd gebunden hatte – die Kriegerin mit den Muskeln und dem schroffen Wesen.
    Und doch, während er so darüber nachdachte …
    »Willst du mir nicht erzählen, was du erlebt hast?« Sven schaute ihn neugierig an. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Letzte Nacht …«, begann David und verstummte dann wieder.
    Sven presste sein Gesicht zwischen die Gitterstäbe. »Nun komm schon. Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.«
    David schüttelte den Kopf. Das Ganze war so unwirklich. Und wenn es nur ein Traum war, der sich auflöste, sobald er davon erzählte?
    »Du machst es aber verdammt spannend«, sagte Sven.
    »Ich habe in meinem Buch gelesen«, fing David zögernd an. »Ihr wisst schon: Romeo und Julia.« Er konnte nicht verhindern, dass ein roter Schimmer über seine Wangen huschte.
    Doch wenn Sven von den seltsamen Neigungen seines Assistenten erstaunt war, ließ er es sich nicht anmerken. Ihn interessierte etwas ganz anderes. »Du hast das Buch dabei?«
    David klopfte auf die Brusttasche seiner Kutte.
    »Wie ist es dir gelungen, das hier hereinzuschmuggeln?«
    »Die Tasche ist von außen nicht zu erkennen«, sagte David. »So eine Art Geheimversteck.«
    »Dann war es also doch kein Traum, als ich letzte Nacht gehört habe, wie du daraus gelesen hast«, sagte der Konstrukteur. »Erzähl, was ist dann geschehen?«
    David berichtete ihm, was sich letzte Nacht zugetragen hatte. Dass er fortwährend in einem Buch las, in dem von der Liebe zwischen Mann und Frau die Rede war, schien Sven nicht zu interessieren. In dieser Hinsicht war er sehr viel toleranter als seine Mitbrüder im Kloster. Als David seine Geschichte beendet hatte, schwieg der Konstrukteur.
    »Glaubt Ihr, ich habe mir das nur eingebildet, oder war es wirklich die Juna, die uns entführt hat? Ich meine, kann es sein, dass ein und dieselbe Person so unterschiedlich wirkt?«
    Sven zuckte die Schultern. »Da fragst du mich zu viel. Bei uns wurde nie viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt. Doch die Frauen sind mehr als nur in einer Hinsicht anders als wir.«
    »Da hast du wohl recht«, sagte David, und wechselte dabei zum ersten Mal zum vertrauten
Du.
    »Viel erstaunlicher, dass sie hier mitten in der Nacht aufkreuzt und dich beim Lesen stört«, sagte Sven. »Oder hat sie das Buch vielleicht gar nicht gesehen?«
    »Sie muss es gesehen haben, sie stand direkt hinter mir.«
    »Und warum hat sie es nicht konfisziert? Du sagst, sie habe der Wache nichts davon gesagt.«
    »Kein Sterbenswörtchen.«
    Sven strich nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger übers Kinn. »Tja, mein Junge. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat, aber es ist in jedem Fall bemerkenswert. Warten wir mal ab, was noch geschehen wird.«
     
    Die Stunden bis zum Abend vergingen mit zermürbender Langsamkeit.

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