Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
Professor den Raum verließ. Irgendetwas an der Art, wie er misstrauisch nach links und rechts spähte, gefiel ihr nicht.
6
D ie Tage vergingen.
Magda und Ben mussten sich voll in die Schule reinhängen, denn die ersten Klausuren standen an, und der Stoff war nicht von Pappe. Besonders Mathe und Physik machten Ben zu schaffen. Potenzen mit rationalen Exponenten, Teilchenbewegung, Wellenmodell und Quantenphysik – nichts für Zartbesaitete. Zum Glück hatte er Magda, die ihm in vielen Bereichen Hilfestellung leistete. Was die Schule betraf, war Magda ein typisches Mädchen. Nirgendwo richtig schlecht, nirgendwo ein Überflieger. Sie kannte sich in allen Fächern einigermaßen aus, ohne große Begeisterung für einen bestimmten Themenbereich zu hegen. Was sie besaß – und das einte sie mit ihren Geschlechtsgenossinnen –, war Fleiß. Sie hatte kein Problem damit, auch für Fächer zu lernen, die sie eigentlich überhaupt nicht interessierten. Ganz anders Ben, für den der Erfolg von vielen schwer zu kalkulierenden Faktoren abhing. Zum einen natürlich das Fach selbst. Geschichte, Ethik und Biologie konnten ihn begeistern, vorausgesetzt, das Thema interessierte ihn. Dann war natürlich entscheidend, welchen Lehrer sie gerade hatten. Greipel war eine Schlaftablette, aber in Französisch hatten sie seit kurzem eine junge und hübsche Elsässerin, die in Ben eine ungeahnte Faszination für diese Sprache entfacht hatte. Sehr zum Missfallen von Magda, die tierisch eifersüchtig war, ihre Rolle aber dennoch recht cool spielte. Er wagte nicht, sie damit zu necken, denn Magda wäre imstande, den Spieß umzudrehen und ihn am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Außerdem liebte er sie viel zu sehr, um ihr wirklich weh zu tun. Er war dazu übergegangen, von Madame Arnaud nur Schlechtes zu berichten: dass sie an den Fingernägeln knabberte, dass ihre Handtasche abgewetzt aussah und dass sie ein ziemlicher Messie zu sein schien. Alles Dinge, die von Magda mit einem knappen, sachlichen Nicken zur Kenntnis genommen wurden.
So vergingen die Tage. Die Angst vor der Grippeepidemie trat zusehends in den Hintergrund. Bis zu dem Moment, als sie erneut aufflammte.
In Dortmund waren drei Fälle amtlich geworden, in Hamburg erhärtete sich der Verdacht, dass ein Mann an dem tödlichen H1N1-Erreger verstorben war, und auch in München hatte man das Virus gefunden. Plötzlich schien es in den Medien kein anderes Thema mehr zu geben. Viren, Seuchen, Epidemien, wohin man nur blickte. Eine Welle der Angst erfasste das Land. Die Arztpraxen, Kliniken und Gesundheitsämter kamen mit dem Impfen kaum noch nach, und das, obwohl es etliche Stimmen gab, die vor dem Serum warnten. Ben erzählte Magda von einem Schreiben, das in einer Zeitungsredaktion aufgetaucht war und in dem ein Schweizer Virologe ausdrücklich vor einer Freigabe des Mittels warnte.
»Sieh dir das an«, sagte er, als sie wieder einmal zusammensaßen. Ben schob ihr einen Zeitungsartikel über den Abendbrottisch und tippte mit dem Finger darauf. »Das ist echt beängstigend. Lies mal den ersten Abschnitt.«
Magda zog den Stadtanzeiger zu sich herüber und überflog die Zeilen.
Als sie zu Ende gelesen hatte, hob sie den Kopf. »Wer ist denn dieser Dr. med. Karl Freihofer?«
»Eine echte Koryphäe auf seinem Gebiet. Ich habe ihn mal gegoogelt und seitenweise Einträge über ihn gefunden. Chefvirologe an der Universität Zürich. Er war ein hohes Tier bei der WHO, der World Health Organization«, sagte Ben.
»Wieso war? Ist er gestorben?«
»Das nicht, aber verschwunden. Interessanterweise kurz nachdem er dieses Papier veröffentlicht hat. Ich weiß, du wirst mich jetzt wieder für paranoid halten, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass hier irgendein Zusammenhang besteht.«
»Da teilst du offensichtlich die Meinung des Kommentators.«
»Wieso?«
Sie tippte mit dem Finger auf die Zeitung. »Der Fall Freihofer muss im Zusammenhang mit den jüngsten Vorfällen in Rotterdam und Prag gesehen werden und deutet auf einen Skandal hin, wie er in der Geschichte der Medizin bislang einzigartig ist.«
»Was, wo? Lass mal sehen.« Ben riss die Zeitung an sich und überflog den Artikel.
»Lies laut vor«, sagte Magda.
»Nicht wenige Stimmen sehen einen Zusammenhang zwischen dem künstlich entwickelten Virus und dem Ausbruch der Krankheit in der Tschechischen Republik«, sagte Ben. »Trotz Nachrichtensperre sickern immer wieder Informationen durch, nach denen das
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