Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
ich denke, du verstehst jetzt, warum ich vorhin so geplättet war, oder?«
»Allerdings. Das ist wirklich beängstigend. In den Nachrichten war es auch nicht besser. Zunehmende Aggressivität, gewalttätige Übergriffe, mutierte Virenstämme. Ich hatte dich gerufen, aber im Nachhinein denke ich, vielleicht war es besser, dass du das nicht gesehen hast.«
Magda stand auf und schlang ihre Arme um Ben. »Was passiert nur mit uns?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Ich kann es dir nicht sagen. Aber eines weiß ich sicher: Solange wir uns haben, wird uns nichts geschehen.«
Sie blickte ihm tief in die Augen, dann drückte sie ihren Kopf an seine Brust und hielt ihn lange Zeit umschlungen.
12
S ie schliefen in dieser Nacht zweimal miteinander und beide Male so, als gäbe es kein Morgen. Ihre Umarmungen, Liebkosungen und Höhepunkte hatten etwas Verzweifeltes. Wie zwei Schiffbrüchige, die sich aneinanderklammerten, während um sie herum das Meer brauste und tobte. Danach war Ben in einen unruhigen Schlaf gefallen, aus dem er irgendwann in den frühen Morgenstunden erwachte. Er glaubte, Schreie gehört zu haben, wusste aber nicht, ob er das nur geträumt hatte.
Müde wankte er zur Toilette, entleerte seine Blase und schlurfte wieder zurück ins Bett. Er war noch nicht angekommen, als er erneut Schreie hörte. Kein Zweifel, irgendwo war ein schrecklicher Streit im Gange.
Er trat ans Fenster und blickte hinaus. Fern am Horizont war bereits ein erster zarter Silberstreif zu sehen. Die meisten Häuser lagen noch im Dunklen, doch gegenüber, auf der anderen Seite des begrünten Innenhofes, brannte Licht. Hinter den Fenstern im dritten Stock konnte Ben die Umrisse zweier Personen ausmachen. Ein Mann und eine Frau, die, wie es schien, furchtbaren Zoff miteinander hatten. Während der Mann nur dastand und fassungslos die Schultern hängen ließ, lief die Frau vor ihm auf und ab und gestikulierte heftig dabei. Sie schien sich über irgendetwas maßlos aufzuregen. Sie warf die Arme in die Luft und drohte ihm mit der geballten Faust. Ihre wütenden Rufe waren selbst durch die geschlossenen Fenster zu hören. Immer wieder attackierte sie ihn, schlug auf ihn ein und schrie, als sei bei ihr eine Sicherung durchgebrannt. Der Mann wich zurück. So weit, bis er schließlich auf der linken Seite der Wohnung angekommen war. Ringsherum flammten Lichter auf. Die Nachbarn schienen endlich etwas mitbekommen zu haben. Im unteren Stock ging ein Fenster auf, und eine Männerstimme brüllte: »Ruhe!«
Der Frau war das egal. Sie drang weiter auf den Mann ein und schlug und keifte. In diesem Moment hob der Mann seinen Arm. Etwas Großes, Schweres befand sich in seiner Hand. Ein Krug oder eine Flasche vielleicht. Er holte aus und schlug zu. Der Schlag war bis zu ihrer Wohnung zu hören. Ein trockener, dumpfer Schlag. Die Frau verstummte, hielt in der Bewegung inne und kippte dann zur Seite weg. Der Mann beugte sich zu ihr nach unten und schlug wieder zu. Zweimal, dreimal, viermal. Bei jedem Schlag zog sich Bens Magen zusammen. Er war so erschrocken, dass er nicht wusste, was er fühlen oder denken sollte. Dann sah er, wie der Mann aufstand, seine Hände an einem Lappen abwischte und ins Nebenzimmer ging.
In diesem Moment wälzte sich Magda stöhnend zur Seite, und Ben war für einen Moment abgelenkt. Als er sich wieder dem Haus zuwandte, war die Wohnung dunkel und der Mann nicht mehr zu sehen. Auch in den anderen Wohnungen verloschen die Lichter wieder.
Ben stand da und versuchte, Ordnung in seine fiebrigen Gedanken zu bringen. Er rieb sich die Augen. Hatte er etwa einen Mord beobachtet? Wenn ja, warum reagierte niemand? Er spitzte die Ohren, aber es erklang weder ein Martinshorn, noch war ein Blaulicht zu sehen. Gewiss, er hätte selbst zum Hörer greifen und die Polizei anrufen können, aber konnte er wirklich sicher sein, dass er die Szene nicht falsch gedeutet hatte?
Er blieb noch am Fenster stehen und lauschte in die Nacht hinaus. Als nichts geschah, ging er wieder zu Bett. Es dauerte jedoch eine Weile, ehe er wieder einschlafen konnte.
Als er die Augen aufschlug, war es bereits helllichter Tag. Die Sonne schien durch die ungeputzten Scheiben und warf einen hellen Fleck auf den Boden. Gott, war er müde. Er fühlte sich wie gerädert. Kein Wunder, nach der unruhigen Nacht. Wo war überhaupt Magda, wollte sie ihn nicht wecken? Erschrocken fuhr er auf. Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass er heute ja gar nicht zur Schule musste.
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