Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
Stille und Ausdruckskraft romanischer Kirchen zu bewundern. Sie strahlten etwas aus, was nur schwer in Worte zu fassen war. Ruhe, Gelassenheit und eine gewisse Erdgebundenheit. Ganz anders als der Dom, der mit seinen aufstrebenden Türmen und Zinnen ein tragisches Symbol menschlicher Selbstüberschätzung und Vermessenheit war. Wenn schon beten, dann in einer romanischen Kirche. Das hatte wenigstens Stil.
Ben ertastete das Messer. Der Schmerz war noch da, aber er verbarg sich hinter einem Schleier aus dumpfer Taubheit. Wie ein eingesperrtes Raubtier.
Ja, dachte er, so könnte es gehen. Wenn er vorsichtig genug war, konnte er sein Fahrrad nehmen und die zwei Kilometer zur Uniklinik radeln.
Er ging über den Hinterhof zum Fahrradständer und öffnete das Schloss. Sein Mountainbike war zwar nicht das modernste, aber es war gut gepflegt. Es hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Wenn es jetzt noch einmal durchhielt, würde es zur Feier des Tages einen neuen Sattel spendiert bekommen.
Stöhnend hob er sein Bein über die Stange. Die Bewegung raubte ihm schier den Atem. Okay, jetzt nur nicht übertreiben. Er atmete ein paarmal tief durch. Nicht ohnmächtig werden, hatte sie gesagt. Nur nicht ohnmächtig werden!
Nach einer Weile ließ der Schmerz nach, und er fühlte sich gewappnet für einen zweiten Versuch. Diesmal ging es besser, er musste nur den Druck mit dem rechten Bein ausüben und das linke zum Schwungholen benutzen. Nicht optimal, aber besser, als mangels Geschwindigkeit umzukippen. Hoch die Füße und treten. Er fuhr. Schwankend zwar, aber er hatte die Balance gefunden und fuhr. Langsam und vorsichtig eierte er durch das Hoftor hinaus auf die Straße.
Die Stille war bedrückend.
Erneut ging ihm Magda durch den Sinn. Was war nur in sie gefahren? Wieder redete er sich ein, dass er sie erschreckt haben musste. Sein Fehler, dass er sich angeschlichen hatte. Man las ja immer wieder von Unglücksfällen, die passierten, weil jemand von hinten leise herantrat. Panik konnte zu Schreckreaktionen führen. Aber hatte er nicht die ganze Zeit mit ihr geredet? Und wie passte dieser eisige, tödliche Blick dazu? Sie hatte ihm nicht geholfen, als er blutend vor ihr stand, keinen Finger krumm gemacht, seine Schmerzen zu lindern. Mach dir nichts vor, dachte er kopfschüttelnd. Sie wollte dich töten. Sie wollte, dass du stirbst.
Er atmete schwer.
Das Radfahren war anstrengender als vermutet.
Irgendetwas lief hier gehörig aus dem Ruder. Er musste an die Fernsehsendungen denken, an das Gespräch mit Magda, die Blogeinträge und den Vorfall in der Nacht.
Mit Schrecken dachte er daran, was er heute noch alles erfahren musste.
Er war etwa einen halben Kilometer gefahren, als neben ihm aus einer Seitenstraße ein Polizeiauto herausgeschossen kam und mit quietschenden Reifen und eingeschaltetem Blaulicht auf ihn zudonnerte. Es gelang ihm gerade noch, den Lenker herumzureißen und auf den Bordstein auszuweichen. Das Fahrzeug raste ungebremst weiter und blies ihm eine Wolke aus Staub und Abgasen ins Gesicht.
»Willst du mich umbringen oder was?«, brüllte Ben, bereute seinen Ausbruch jedoch gleich wieder. Jede Anstrengung wurde sofort von unerträglichen Schmerzen quittiert. Ruhig, ermahnte er sich. Keine Energie verschwenden, es ist noch ein gutes Stück bis zur Klinik. Wenn er sich jetzt verausgabte, würde er es nie schaffen. Trotzdem musste der Fahrer ein komplett Wahnsinniger sein.
»Brauchst dich nicht extra zu bemühen, wenn du mich erledigen willst, das hat vor dir schon jemand anderer versucht«, murmelte Ben. »Aber du hättest mich wenigstens mitnehmen können, du blöder Arsch.«
Schwitzend und mit zusammengebissenen Zähnen radelte er weiter.
Er war einen knappen Kilometer weit gekommen, als er eine Rauchsäule bemerkte. Eines der Gebäude an der Ecke Lindenthalgürtel/Dürenerstraße stand in Flammen. Wie es aussah, hatte das Feuer bereits die erste und zweite Etage erfasst. Ein Pulk aufgebrachter Menschen stand davor, dazwischen Polizeifahrzeuge, Feuerwehr und Notarztwagen. Die Beamten hatten alle Hände voll zu tun, die tobende Menschenmenge zurückzudrängen und das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Wütende Schreie drangen bis zu Ben herüber, während er langsam näher radelte. Er versuchte zu erkennen, was los war, als plötzlich eine Frau das Führerhaus eines Feuerwehrfahrzeugs erklomm, mit den Armen wedelte und zu schreien anfing. »Stürmt die Fahrzeuge! Hindert sie daran, das Feuer zu löschen,
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