Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
verstehen, wenn man sich auf die Wahrheit einlassen will, Claudius. Du sollst diese Waffe reinwaschen. Und zwar mit Blut. Mit dem Blut des Inquisitors.«
»Was?«
»Dein Freund Benedikt möchte, dass du die Aufgabe vollendest, zu der er nicht in der Lage ist.«
»Das ist doch Unsinn …«
Sie lachte. »Ihr Männer seht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ben hat einen Eid geschworen. Er hat geschworen, nie wieder zu töten. Du hingegen hast diesen Schwur nicht geleistet. Im Gegensatz zu dir weiß Ben, dass zur Vermeidung des Krieges kein Weg daran vorbeiführt, als den Inquisitor zu töten. Es ist der einzige Weg, diesen Konflikt zu beenden und der Welt Frieden und Gerechtigkeit wiederzugeben. Da er es selbst nicht tun kann, überträgt er dir diese Aufgabe. Du bist sein Werkzeug, sein langer Arm.« Sie lächelte traurig. »Es tut mir leid, es dir in dieser Deutlichkeit sagen zu müssen, aber scheinbar bist du so versessen darauf, Gutes zu tun, dass du nicht in der Lage bist, die Wahrheit zu erkennen.«
Claudius presste die Lippen aufeinander. Es tat weh, was sie sagte. Noch nie, während all der Jahre, die sie zusammen waren, hatte sie so mit ihm geredet. Warum jetzt, so kurz vor dem Abschied?
Claudius hatte Marcus Capistranus einst das Leben gerettet. Wäre er nicht gewesen, wäre die Geschichte anders verlaufen. Jetzt drohte ein Krieg, und jeder musste Position beziehen. Ob er es nun eingestehen wollte oder nicht, er war mitverantwortlich für die Vorgänge, die um sie herum passierten. Vermutlich war das der Grund, warum er unbedingt mit Capistranus sprechen wollte.
Seine Wut verbergend, sagte er: »Wenn ich dich recht verstehe, fragst du mich, ob ich in der Lage wäre, Marcus Capistranus das Leben zu nehmen? Ob ich fähig wäre, meinen ehemaligen Freund zu töten. Ist es das, was du mich fragen willst?«
»Darauf läuft es hinaus.«
Er starrte auf die Pistole. Die Waffe erschien ihm auf einmal ungeheuer schwer. »Ich sage es dir ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Anscheinend bin ich ja nicht mal in der Lage, zu erkennen, dass alle Welt mich manipulieren will. Doch eines weiß ich: Ich werde nicht einfach losziehen und jemanden umbringen, dem ich einst Freundschaft geschworen habe. Ich werde ihm eine Chance geben, mir seine Beweggründe zu erklären. Und ich werde ihn daran erinnern, dass auch er mir damals Freundschaft geschworen hat. Was bleibt uns denn noch in der Welt, wenn wir uns nicht mal mehr auf uns selbst und unser Wort verlassen können?« Er starrte noch eine Weile auf die Pistole, dann legte er sie zur Seite und bedeckte sie mit einem Tuch.
Arkana sagte nichts. Sie sah nur zu ihm hinüber, ein trauriges Lächeln auf ihren Lippen. Plötzlich streckte sie ihre Hand aus. »Komm zu mir.«
»Warum?«
»Weil ich dich gerne bei mir haben möchte.«
Zögernd stand er auf, ergriff ihre Hand und setzte sich neben sie auf den Baumstamm. Ihre Augen waren wie zwei tiefe, klare Bergseen. Er sah sie an und spürte, wie das Eis zu schmelzen begann.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie. »Das habe ich immer getan.«
»Ich dich auch«, sagte er. »Seit dem Augenblick, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
Arkana lächelte. »Ich hatte damals einen Speer in der Hand, die Spitze auf dich gerichtet.«
»Ich hätte mir keinen schöneren Tod vorstellen können. Ich habe dir in die Augen gesehen, und es war um mich geschehen. Als du mich bei dir aufgenommen hast, war es, als wären meine Gebete erhört worden.«
»Dann hast du es nicht bereut, zwanzig Jahre deines Lebens eingesperrt an meiner Seite verbringen zu müssen?«
»Niemals.« Er überlegte kurz, dann sagte er: »Das Komische ist, ich habe mich nie eingesperrt gefühlt. Bis zu dem Moment, als meine erwachsene Tochter vor mir stand und mich mit einem Messer bedrohte. Da fühlte ich mich zum ersten Mal richtig alt. Schlagartig wurde mir bewusst, dass sich die Welt weitergedreht hatte, ohne dass ich daran teilnahm. Ich saß in einem Käfig, einem goldenen zwar, aber dennoch in einem Käfig. Verstehe mich nicht falsch, ich bereue nichts. Ich hätte weiter in deiner Gesellschaft hoch oben im Tempel wohnen können, aber es wäre nicht mehr dasselbe gewesen. Die Begegnung mit Juna hat mir gezeigt, dass es außer dir noch andere Menschen gibt, denen ich etwas bedeute. Und sei es nur, dass sie wütend auf mich sein können.« Er lächelte traurig. »Du kennst doch das alte Sprichwort: Kein Mensch ist eine Insel? Aber genau das war ich.
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