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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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bat mich, zu Ihnen zu gehen. Er sagte, Sie wüssten, wo die Leiche ist. Und die Leiche wisse, warum Unni es getan hat.»
    «Woher wusste Alpha von der Leiche?»
    «Unni hat immer von der Leiche geredet. Er hat mehreren Leuten von der Leiche erzählt.»
    «Es gibt die Leiche also. Er hat nicht gelogen.»
    «Ja. Er kannte eine Leiche. Ich hatte gehofft, Sie wüssten, wer es ist.»
    «Tut mir leid, Ousep. Ich weiß es nicht.»
    «Sein Tod scheint Sie nicht sehr zu überraschen, Doktor.»
    «Mein Arbeitsgebiet lässt keinen Raum für Überraschungen. Doch wenn Sie Trauer gemeint haben, so werde ich mich darum kümmern, wenn ich allein bin, und das bin ich meistens.»
    Ouseps Notizblock und sein Stift liegen wie Requisiten einer Farce auf dem Schreibtisch. Er steckt sie wieder in die Hosentasche, was Iyengar zum Lächeln bringt. «Ich möchte Sie noch etwas anderes fragen, Doktor», sagt Ousep. «Unni hat die Leute oft verulkt. Er bat jemanden, an eine zweistellige ungerade Zahl zudenken. Die Chance, die richtige Zahl zu raten, stand ungefähr eins zu fünfundvierzig. Als zu erratende Zahl sagte er immer dreiunddreißig, und riet auf diese Weise manchmal rein zufällig richtig. Manche glauben immer noch, dass Unni Gedanken lesen konnte. Sie erinnern sich nicht mehr daran, dass er sie gebeten hatte, sich eine zweistellige, ungerade Zahl auszudenken, und seine Gewinnchancen dadurch erhöht hat. Sie erinnern sich nur daran, dass Unni irgendwie ihre Gedanken lesen konnte. Was glauben Sie, warum Unni das getan hat?»
    Iyengar schüttelt den Kopf. «Ich habe keine Ahnung, Ousep. Aber wissen Sie, nicht alles, was er tat, muss unbedingt einen Bezug zu seinem Tod haben. Er war noch nicht ganz erwachsen und entdeckte diesen großartigen Ulk. Mehr war es wahrscheinlich gar nicht.»
    Sie sitzen schweigend beieinander, ohne jegliches Unbehagen. Vielleicht erinnert sich der alte Mann auch an Unni. Er stützt den Ellenbogen auf den Schreibtisch und fragt: «Kennen Sie irgendjemanden, der Unni nahestand und auf den das Cotard-Syndrom zutreffen könnte, so, wie ich es Ihnen geschildert habe? Irgendjemanden – Familie, Freunde, den Wächter Ihrer Wohnsiedlung?»
    «Nein.»
    «Der Junge hat mir gesagt, er habe der Leiche sehr nahegestanden. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Leiche etwas Wichtiges über ihn weiß.»
    «Was für eine Vermutung haben Sie, Doktor? Warum hat Unni sich umgebracht?»
    «Gar keine, Ousep. Ich tappe genauso im Dunkeln wie Sie. Ich habe gehört, dass Sie jeden befragt haben, der wichtig ist.»
    «Ja.»
    «Außer der Leiche?»
    «Ja. Außer der Leiche.»
    «Und Sie kennen niemanden, der die Leiche sein könnte?»
    «Hat Unni Ihnen je von einem Jungen namens Somen Pillai erzählt?»
    «Nein. Wer ist das?»
    «Somen Pillai war Unnis engster Freund. Aber ich war nicht imstande, ihn zu treffen. Er will mich nicht sehen. Jedes Mal, wenn ich zu seinem Haus gehe, schicken mich seine Eltern wieder weg und sagen, er sei nicht da.»
    «Können Sie mir den Jungen beschreiben?»
    «Ich habe ihn nur ein Mal getroffen, und das ist drei Jahre her. Er war schüchtern und sprach nicht viel. Er sah mir nicht immer in die Augen. Mehr kann ich Ihnen nicht über ihn sagen.»
    «Sie wissen sonst nichts über ihn?»
    «Alle seine Klassenkameraden erklären, dass er nur selten etwas sagte. Wenn er im Raum war, war es so, als sei er nicht da. Er war einer von diesen unsichtbaren Typen.»
    «Hatte er ordentlich gekämmtes Haar?»
    «Ja, es war gekämmt.»
    «Hatte er eine bestimmte Frisur?»
    «Nichts Auffälliges.»
    «Und seine Kleidung? War sie sauber und modisch?»
    «Ja.»
    «Hat er das Wort ‹ich› benutzt, wenn er von sich sprach? War er sich seiner bewusst?»
    «Das weiß ich nicht mehr», sagt Ousep.
    «Hatte er Pläne? Hatte er eine Vorstellung von der Zukunft, seiner eigenen Zukunft?»
    «Da bin ich mir nicht sicher.»
    «Trotzdem», sagt Iyengar, lehnt sich zurück und stützt den Kopf bequem in den Sessel, «er könnte die Leiche sein. Ich spüre, dass in diesem Jungen eine Leiche ist.»

7
Zweierwahn
    Um Mythili von dem Podest zu stoßen, auf das er sie im Geiste erhoben hat, hat Thoma alles versucht. Er hat in ihrem Gesicht nach Spuren eines Damenbarts gefahndet, hat sie sich nackt vorgestellt und gelacht, weil sie sich schämte, hat sie sich auf der Kloschüssel vorgestellt, auch wenn er eigentlich nicht glaubt, dass sie je so etwas Schäbiges tun würde. Doch diese Methode hat nicht funktioniert, und er hat sich

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