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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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kuriosen Gegenständen.
    ~
    Heute ist der erste Tag des Hungerstreiks, und es gibt kaum Zuschauer. Wenn das Fasten-bis-zum-Tode jedoch noch zwei Tage weitergeht, werden riesige Menschenmengen auf der Straße sein – Männer, die schreien und lachen, singende Alkoholiker, Frauen, die ohne Kummer weinen, Jungen, die Steine werfen. Doch momentan ist alles friedlich, und es herrscht düstere Stille wie bei einem Unglück. Ousep sucht die Gegend nach einem kräftigen jungen Mann ab, der schick gekleidet und nicht sehr klug ist.
    Gerade einmal fünfzig Leute stehen hinter den hölzernen Barrikaden und starren die zehn Männer auf dem Gehsteig an, die in einer Reihe auf Matten sitzen, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Einer von ihnen tanzt aus der Reihe – er hat einen Tischventilator neben sich stehen. Sollte die Regierung nichtgenau darlegen, wie sie die Sri-Lanka-Tamilen zu schützen gedenkt, wollen sich die Männer zu Tode hungern. Sie tragen weiße gestärkte Hemden, die sie sich eigens für diesen Anlass haben nähen lassen, und Veshtis
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die so bauschig gebunden sind, dass ihre Genitalien größer wirken. Neben jedem Fastenden liegt eine lange silberne Taschenlampe. Die Reporter wissen, dass die Batterien herausgenommen und stattdessen Bananen hineingestopft wurden, die die Märtyrer verzehren, wenn sie zur Toilette gehen.
    Die Männer im Hungerstreik erwidern die starrenden Blicke der Zuschauer mit distanzierter, leerer Schwermut, und wenn sie nicht mehr traurig blicken können, nippen sie Wasser aus Plastiktassen oder legen für die Fotografen die Handflächen aneinander. Hinter den Männern stehen junge Untergebene, die nervös wirken, als hätten sie Angst, ebenfalls fasten zu müssen, sobald sie sich hinsetzen.
    Zwei große, muskulöse Schlägertypen stellen eine Lautsprecheranlage auf und schließen ein Casio-Keyboard an die Lautsprecher an. Die Rowdys tragen geschürzte Lungis, die ihnen nur noch bis zum Knie reichen, sodass man den Saum ihrer gestreiften Unterhosen sieht. Offenbar haben sie Probleme, weil der Keyboardspieler auf sich warten lässt.
    «Weißt du, wie man dieses Ding spielt, du Arschloch?», fragt ein Rowdy den anderen fast liebevoll, während er einen Draht aus einem Beutel holt.
    «Keine Ahnung.»
    «Egal, Arschloch», sagt er und blickt ohne einen Funken von Angst auf das Keyboard. «Du spielst die weißen Tasten, und ich übernehm die schwarzen.»
    Die Männer im Hungerstreik und ihre Anhänger haben fünfzig Meter Gehsteig belegt, zwischen einem öffentlichen Pissoir und einer riesigen, fünf Stockwerke hohen Sperrholzfigur von SuperstarRajinikanth, der in goldener Lederjacke, engen Hosen und dunkler Sonnenbrille über die Stadt blickt, mit einem rosa Gesicht, weil die Plakatmaler nicht den Mut hatten, ihn schwarz anzumalen. Für diese fünfzig Meter wurde der Verkehr umgeleitet, und die Polizisten stehen nun auf der leeren Straße und fragen sich wieder einmal, wie sie die Zeit totschlagen sollen. Auf dem Gehsteig der gegenüberliegenden Straßenseite sind ein paar grob gezimmerte Garküchen aus dem Boden geschossen, und Reporter und Fotografen und neugierige Zuschauer stopfen sich dort heiße Happen in die weit geöffneten Münder.
    Ilangos Stimme dringt von hinten an Ouseps Ohr. Er hat ihn zuletzt vor drei Jahren getroffen und erkennt ihn kaum wieder. Wie diese Jungen wachsen. Während Unni zu Erde wird, wachsen die Söhne anderer Väter in den Himmel.
    Ilango ist ein gesunder Junge mit frischen, kräftigen Muskeln, der in seinem jugendlichen Inneren von gewaltigen Stürmen beherrscht wird. Im Gegensatz zu seinen Leidensgenossen, den anderen Verlierern, die auf drittklassige Ingenieurschulen gehen, ist er einigermaßen glücklich. Seine wenigen, übertriebenen Handbewegungen sind von einer aufgesetzten bäuerlichen Servilität, so, als würde er gleich um ein Darlehen bitten. Schon vom bloßen Zusehen ist man erschöpft, und bei der Vorstellung, dass er ihm wohl nie wieder begegnen muss, ist Ousep mehr als erleichtert.
    «Es tut mir leid, dass ich dich hierherbestellt habe», sagt Ousep.
    Der Junge hält die Hände vor den Mund und sagt: «Sagen Sie bitte nicht so was, dass es Ihnen leidtut und so. Sie sind doch Unnis Vater und können mich überall hinbestellen.»
    «Ich arbeite, Ilango. Ich muss einen Artikel über den Hungerstreik schreiben. Deshalb wollte ich, dass du hierherkommst.»
    Ilango betrachtet die fastenden Männer, interessiert sich aber nicht besonders für den

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