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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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zu Hause?»
    «Das weiß ich nicht, Ousep. Er hat seinen eigenen Willen.»
    «Sie haben gesagt, er geht nicht aufs College.»
    «Ganz genau.»
    «Wie kann das sein? Alle Jungen gehen aufs College.»
    «Es gibt Ausnahmen – mehr ist dazu nicht zu sagen.»
    «Etwas stimmt hier nicht, das liegt auf der Hand», sagt Ousep.
    «Sie sehen Geschichten, wo keine sind, Ousep. So sind Sie nun mal. Sie sind ein Geschichtenerzähler.»
    ~
    Thoma Chacko taucht den Kopf in einen Eimer Wasser und lässt die Augen offen, damit sie rot werden. Er hält die Luft an und starrt auf den verschwommenen Eimerboden. Er stellt sich vor, wie die Welt nach einer riesigen Flutwelle aussehen würde,wenn das Meer sie verschlungen hat, wie Unni es vorhergesagt hat, und er stellt sich vor, er hätte nur noch wenige Augenblicke zu leben. Seine Lungen platzen fast, doch er hält durch. Ertrinken ist entsetzlich. Er hofft, dass es weniger qualvoll ist, von einer Dachterrasse zu stürzen. An einem zerschmetterten Schädel zu sterben, ist eine ganz andere Todesart, es geht schneller. Doch sich in den Kopf zu schießen, ist immer noch am besten, hat Unni gesagt. «Wenn der Kopf explodiert, dann tut es wahrscheinlich kurz weh, Thoma. Aber wenn die Kugel im Gehirn ist, spürt man keinen Schmerz mehr. Das ist das Schöne am Gehirn. Es bewirkt, dass wir jeden Zentimeter unseres Körpers spüren, es lässt uns Schmerz empfinden, ist selbst aber völlig empfindungslos.»
    Was mag wohl in Unnis Kopf vorgegangen sein, kurz bevor er hinuntersprang? Woran hat er gedacht? Thoma schlief an jenem Nachmittag vor drei Jahren, doch er hat gespürt, dass Unni im Zimmer war. Er wusste, dass sein Bruder ins Zimmer gekommen war und sich sogar kurz dort aufgehalten hatte. Daran erinnert er sich noch. Und auch an einen ungewohnten Traum, in dem eine Frau schrie und vor einer riesigen Tsunamiflutwelle davonrannte. Wäre Thoma wach gewesen, hätte sich Unni auf sein Bett gesetzt und ein bisschen mit ihm geredet und wäre vielleicht gar nicht auf den Gedanken gekommen, sich umzubringen. Alles wäre dann anders gekommen. Aber Thoma schlief.
    Er wüsste zu gerne, ob die roten Augen, die er sich zugelegt hat, eine gute Ausrede sind, um die alte Sonnenbrille seines Vaters aufzusetzen. Damit Thoma die Sonnenbrille tragen kann, muss er unbedingt eine Begründung finden. Seine Mutter hat gerade vorgeschlagen, Mythili Balasubramanium zu fragen, ob sie Thoma abends Nachhilfestunden gibt, vor allem in Mathe. Sie gehen gleich zu ihr und klopfen an die Tür. Thoma will ihr mit Sonnenbrille begegnen, denn dann hat sie vielleicht mehrRespekt vor ihm. Mit nassem Haar und Sonnenbrille sieht er richtig flott aus, sagen manche. Sie sagen: «Thoma, so siehst du richtig gut aus.» Aber vielleicht denkt Mythili, er habe eine Bindehautentzündung. Ist es so abwegig, sich an einem Samstag ein Madras-Auge zu holen? Und warum tut er sich all das für sie an? Als Unni noch lebte und sie stundenlang mit ihr zusammen waren, fand er sie unerträglich und geschwätzig. Doch jetzt denkt er auf einmal dauernd an sie, und dass es sie gibt, ist plötzlich das Beste und das Schlimmste im Leben.
    Mit beinah blutunterlaufenen Augen geht er zum Bücherregal seines Vaters und sucht die alte grüne Sonnenbrille, die normalerweise auf einem Bücherstapel liegt. Doch diesmal kann er sie nicht finden.
    «Warum hast du rote Augen?», fragt ihn seine Mutter.
    «Ich hab das Madras-Auge», gibt er zur Antwort.
    «Vor einer Minute warst du noch völlig gesund.»
    «Es kommt immer ganz plötzlich», sagt er. «Du glaubst doch nicht im Ernst, dass meine Augen erst violett werden, dann indigoblau, dann blau und was das Regenbogenspektrum sonst noch an Farben zu bieten hat, bevor sie dann endlich rot werden.»
    «Was hat das Spektrum für Farben, Thoma? Lass hören, ob du das weißt.»
    «Ich kenne sie alle. Aber ich sag sie dir nicht.»
    «Lern sie doch auswendig, Thoma. Es ist ganz einfach. Du musst nur das Wort VIBGGOR in deinen dicken Schädel kriegen. Dann kannst du die Farben des Regenbogens jederzeit aufsagen.»
    «Reiz mich nicht.»
    «Jemand ist heute böse auf seine Mutter. Was suchst du eigentlich, Thoma?»
    «Wo ist die Sonnenbrille?»
    «Ich hab sie verkauft», sagt sie. «Komm her, ich reib dir die Haare trocken.»
    «Warum hast du die Sonnenbrille verkauft?»
    «In der Kirche am Schwarzen Brett war ein Aushang. Jemand hat eine gesucht.»
    «Wie kannst du so was bloß tun? Einfach was wegnehmen und

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