Das verbotene Glück der anderen
Augenblick lang stehen beide so da, und dann entspannt sich ihr Arm, die Hand in die Hüfte gestützt, sieht sie ihn an und schüttelt sich vor Lachen. Thoma ist erleichtert vor Glück und erlebt zum erstenMal im Leben, wie ein Gefühl des Triumphs seine Brust durchströmt. Was er erreichen wollte, hat er vollbracht. So etwas hat er noch nie erlebt. Dass ein Handlungsmotiv in die Tat umgesetzt wird, mag den meisten Menschen normal vorkommen, nicht jedoch Thoma. Wenn Unni eine Kuh zeichnen wollte, zeichnete er sie so, dass sie fast lebendig aussah. Thoma kann so etwas nicht. Seine Kühe sehen wie weiße Sofas aus. Wenn Mythili einst erklärte, sie wolle jetzt ein Lied singen, scharrte sie ein bisschen mit den Füßen, schluckte und sang es dann genau so, wie es ihr vorgeschwebt hatte. Und wenn sie fertig war und Unni schüchtern anblickte, war noch lange danach eine stille Freude im Raum. Die Melodien, die Thoma in Gedanken hört, erkennt nicht einmal er selbst wieder, sobald sie aus seiner Kehle dringen. Und weil sein Ball immer Gott weiß wohin fliegt, fragt ihn keiner unten auf der Spielwiese, ob er Werfer sein will. Als Ballschläger wird er akzeptiert, aber nur, weil dabei nichts auf dem Spiel steht. Doch heute wollte Thoma etwas tun, er hatte ein Ziel, und er hat es erreicht. Hingerissen steht er immer noch mit eingezogenen Lippen und drohendem, zur Decke gerichteten Zeigefinger da. Sie lacht wieder, aber nicht mehr so laut.
Mariamma lehnt mit dem Rücken an der Wand und wartet im Dunkeln. Sie hat die Beine ausgestreckt und die großen Zehen ineinander verhakt. Ousep muss jeden Moment nach Hause kommen, schwankend und stolpernd und laut lamentierend. Wenn sie Glück hat, sagt er gar nichts und wird von Fremden hereingetragen wie ein neuer Schrank. Einmal hatten ihn ein paar Männer in die falsche Etage gebracht. Als sie mit ihm in die Wohnung kommen wollten, stieß die Frau einen schrillen Schrei aus. Sie versuchten, sie zu beruhigen, erklärten, dass er nicht tot sei, und fragten dann, wo sein Bett stehe. Die Frau schrie wie am Spieß.
Seit diesem Zwischenfall, der ein paar Monate her ist, hat Mariamma immer wieder denselben Traum: Ousep wird von kräftigen Männern in eine aufgeräumte Wohnung getragen; die ordentliche Frau des Hauses, die Jasminblüten im Haar trägt, macht die Tür auf, schreit erschrocken und schickt sie weg. Die Männer tragen Ousep zu einer anderen Wohnung und fragen auch dort die Frau, wo sein Bett sei. Auch diese Frau bekommt einen Schreikrampf und wirft Sachen nach ihnen. Sie versuchen es weiter und tragen Ousep zu allen Wohnungen auf der Welt, aber überall werden sie empört abgewiesen. Bis sie schließlich mit Ousep Chacko vor Mariammas Tür landen, die ihnen ruhig sein Bett zeigt. Dieser Traum macht sie manchmal traurig, doch hin und wieder bebt sie im Schlaf vor Lachen.
Jedes Mal, wenn sie so dasitzt und auf ihn wartet, wird ihr fast übel vor Angst, obwohl das, was ihr jetzt bevorsteht, sich jeden Abend wiederholt. Während ihre Finger den Rosenkranz beten, murmelt ihr Mund etwas anderes. Eines Abends, an einem Abend wie diesem, wird sie wieder auf Ousep warten, doch er wird nicht kommen. Das Telefon wird klingeln, und ein Polizist wird zu ihr sagen: «Man hat einen Mann tot auf der Straße gefunden.»
«Das muss er sein», wird sie sagen. «Genau so würde Ousep Chacko sterben. Wie ein Hund.»
«Was sollen wir mit dem Leichnam machen?»
«In seiner Brieftasche ist ein bisschen Bargeld. Wenn ihr Mistkerle das stehlt, wird Ihnen und Ihren Kinder Unheil widerfahren, und zwar bis ans Ende aller Zeiten.» Das wird sie ihm sagen, die innere Kraft für diese Worte wird sie noch haben. Doch als sie noch einmal in Ruhe darüber nachdenkt, beschließt sie, die Kinder des Polizisten aus ihren Verwünschungen auszuklammern.
Doch ob dieser Anruf je kommt? Wird Ousep je stürzen? Trinkerleben lange. Sie bewegen sich vorsichtig, vor allem, wenn sie zu Fuß unterwegs sind. Die Entschlossenheit eines Trinkers ist nicht zu überbieten.
Nicht zum ersten Mal kommt ihr der Gedanke, dass sie ihn im Schlaf verbrennen könnte. Sie könnte Kerosin über ihn schütten und ihn anzünden. Männer verbrennen ihre Frauen doch dauernd, ohne dass man sie dafür bestraft. All die Mädchen, die in Flammen aufgehen – das ganze Land ist voll von ihnen, voller Küchenunfälle. Es wird Zeit, dass auch einmal ein Mann so etwas erlebt. Sie versucht, sich ihr Komplott in allen Einzelheiten auszumalen, doch
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